Bei einer zweitägigen internationalen Tagung im Nürnberger Rathaussaal betrachten Experten vom 14. bis 15. März das Nürnberger Religionsgespräch im Jahr 1525 von allen Seiten. 500 Jahre nachdem der Rat der Stadt bestimmte, dass die Stadt lutherisch werden sollte, soll über die geschichtliche Bedeutung der Ereignisse gesprochen werden. Auch Ministerpräsident und Landesbischof sind dabei. Die Nürnberger Regionalbischöfin Elisabeth Hann von Weyhern hält am Sonntag (16. März) einen ökumenischen Festgottesdienst mit dem Erzbischof von Bamberg und der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen.
epd: In ihrem Vorwort zur internationalen Tagung schreibt Nürnbergs Kulturbürgermeisterin Julia Lehner, das Religionsgespräch gehöre zu den Schlüsselereignissen der Reformation. Nachdem schon 2017 500 Jahre Reformation gefeiert wurden – übertreibt sie da nicht ein wenig?
Elisabeth Hann von Weyhern: Doch, das Religionsgespräch 1525 war ein Meilenstein. Es kamen für die Reichsstadt und die Kirchlichkeit Faktoren zusammen, die das Ereignis besonders machten. Nürnberg befindet sich damals in einer Epoche, in der die Gesellschaft zu zerreißen drohte. In der Stadt hat man gesehen, hier steht eine Veränderung an und mit dem Religionsgespräch ist sie ins Risiko gegangen. Aber es ging bei dem Religionsgespräch nicht nur um die Religion, sondern auch darum, dass alte Institutionen ihre Glaubwürdigkeit verloren hatten. Es war der Eindruck entstanden, dass es ihnen nicht mehr um die Menschen ging.
epd: Auch von den heutigen Zeiten kann man sagen, dass sie disruptiv sind, es herrscht Streit und Unruhe. Können sich heutige Akteure etwas aus den Ereignissen 1525 in Nürnberg abschauen?
Hann von Weyhern: Damals war der Weg, auf Radikallösungen zu verzichten, die Diskursregeln zu akzeptieren und einen Kompromiss wertzuschätzen. Aber man konnte sich in der Zeit eine gesellschaftliche Einheit nur vorstellen, wenn es ein einheitliches Bekenntnis gab, das eindeutig auf der Grundlage der Bibel gründete. Damit begann ein Lernweg. Aber der Frieden, zu dem man nur über die Einheitlichkeit kam, hatte seinen Preis: Die Juden waren zuvor schon vertrieben, gegen die Mönche wurde gehetzt und die Schwärmer (Anmerkung: radikale Reformatoren wie Thomas Münzer) gab es in der Stadt nicht mehr. Die Rolle der Kirchen heute ist, der Idee, dass man in einer versöhnten Verschiedenheit leben kann, Raum zu geben. Heute akzeptieren wir, wenn die anderen Konfessionen sagen, dass auch sie auf dem Grund der Bibel stehen. Das heißt auch, ein Frieden, der geachtet wird, ist ohne Radikallösungen möglich.
epd: Eine der Hauptfiguren des Nürnberger Religionsgesprächs war Andreas Osiander (1498-1552). Er war ein hervorragender Prediger, dem das Volk an den Lippen hing, und einer, der keine Kompromisse akzeptieren wollte. Ist Osiander heute noch ein Vorbild für Predigerinnen und Prediger in der evangelischen Kirche?