Bund und Länder, Regierung und Opposition ringen um den Kurs in der Migrations- und Flüchtlingspolitik. Nachdem in den vergangenen Wochen über zahlreiche Änderungen diskutiert wurde, liegen für das Treffen der Regierungschefinnen und -chefs der Bundesländer mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montag in Berlin etliche Vorschläge auf dem Tisch. Die CDU-Ministerpräsidenten Boris Rhein und Michael Kretschmer bekräftigten die Position der Unionsparteien, dass die Begrenzung illegaler Migration nach Deutschland im Mittelpunkt stehen sollte.
Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, indes stellte am Freitag in Berlin heraus, dass es um ein Bündel von Maßnahmen gehe und das humanitäre Prinzip des Asylrechts geachtet werde. Zuwanderung solle in „geordneten Strukturen“ verlaufen, irreguläre Migration begrenzt werden. Themen der Beratungen am Montag seien auch eine langfristige finanzielle Unterstützung von Ländern und Kommunen durch den Bund bei der Unterbringung Geflüchteter, die Rückführung von Menschen ohne Bleiberecht, Migrationsabkommen mit Herkunftsländern und effizientere Asylverfahren.
Bereits für Freitag war ein Treffen von Scholz mit Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt geplant. Details dazu wurden zunächst nicht bekannt. Hebestreit sagte, es sei Vertraulichkeit vereinbart worden.
Rhein: „Wir haben die Belastungsgrenze erreicht“
Der hessische Regierungschef und Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Rhein, sagte am Freitag im Deutschlandfunk zur Aufnahme Geflüchteter: „Wir haben die Belastungsgrenze erreicht.“ Vor Ort gebe es teilweise „dramatische Zustände“. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte am Freitag im „Morgenmagazin“ des ZDF: „So geht es nicht weiter.“ Die aktuellen Vorschläge in der Migrations- und Flüchtlingspolitik kämen von den Ländern und Kommunen, die Bundesregierung mache Politik gegen das Land. „Das ist kein verantwortungsvolles Handeln“, sagte Kretschmer.
Rhein stellte sich hinter den Vorstoß des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU), Asylverfahren in Drittstaaten auszulagern. Das sei durchaus möglich. Auch drei Bundestagsabgeordnete der SPD sprachen sich für Asylverfahren außerhalb Europas aus. In einem gemeinsamen Papier schlugen die Sozialdemokraten Lars Castellucci, Frank Schwabe und Fabian Funke die Einrichtung von „Migrations-Zentren“ in sicheren Drittstaaten „als Anker- und Anlaufpunkt für Schutzsuchende“ vor. Erst nach Bearbeitung ihrer Anträge sollen dem Vorschlag zufolge asylberechtigte Migrantinnen und Migranten in EU-Staaten einreisen dürfen. Zuerst hatte das Magazin „Spiegel“ am Freitag über den Vorstoß berichtet.
Sterben auf den Fluchtrouten nach Europa beenden
Eine „sozialdemokratische Ideallösung“ sehe anders aus, räumten Castellucci, Schwabe und Funke ein. Doch angesichts der Uneinigkeit der EU und der Abwehrhaltung einiger Mitgliedsländer gehe es vor allem darum, das Sterben auf den Fluchtrouten nach Europa zu beenden. Dazu müsse es endlich auch eine staatlich organisierte Seenotrettung durch die EU geben.
Zur seit langem strittigen Kostenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen bei der Versorgung Geflüchteter in Deutschland sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Freitag), es brauche „eine dauerhafte und nachhaltige Finanzierung“. Die immer wieder diskutierten Einmalzahlungen des Bundes böten keine Planungssicherheit.