27 Religionslehrkräfte sind am vergangenen Wochenende in der St. Marienkirche in Berlin-Mitte durch eine Vokation für ihre Arbeit berufen worden. Mit der Vokation sind sie nicht einfach nur Angestellte der Kirche. Sie sind mit öffentlicher Segnung in ein Amt eingeführt worden, das sie an das Bekenntnis der evangelischen Kirche bindet und sie zu Vertretern der Kirche in der Gesellschaft macht.
Für mich hat meine Vokation, die ich im Jahr 1996 erhielt, eine ähnliche Bedeutung wie die Ordination zum Pfarrer, die ich 2000 feierte. Sie hat mir kurz nach der „Wende“ beim Aufbau des Religionsunterrichts an einem Potsdamer Gymnasium, an dem es zuvor noch keinen Religionsunterricht gegeben hatte, einen gesicherten Status gegeben.
Religionslehrkräfte mitten im öffentlichen Leben
Mit der Übernahme ihrer Aufgabe stehen die Religionslehrkräfte wie kaum eine andere kirchliche Berufsgruppe mitten im öffentlichen Leben – an einem Ort, wo sie auch von Heranwachsenden erlebt werden, die Kirche und Christentum in ihren sonstigen Lebensbezügen kaum begegnen würden. Es ist schon viel darüber geschrieben worden, welche Bedeutung Gespräche über existentielle Themen im Religionsunterricht für die Orientierung suchenden Heranwachsenden haben. Aber der Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen ist nicht nur für die Teilnehmenden bedeutsam.
Allein die Tatsache, dass er Teil des Unterrichtsangebots ist, verschafft ihm eine für alle sichtbare Präsenz. Durch Stände des Religionsunterrichts am Tag der offenen Tür und die Anwesenheit der Religionslehrkraft bei Gesamt- und gegebenenfalls Klassenkonferenzen wird Christentum, Kirche und Religiosität allgemein erfahrbarer Teil der Gesellschaft, die sich in der Schule abbildet. Eine Schule ohne Religionsunterricht droht ihre weltanschauliche Neutralität zu verlieren. Der konfessionelle Religionsunterricht an der öffentlichen Schule ist Ausdruck der positiven Religionsfreiheit in einer Gesellschaft, in der alle das Recht haben, ihren Glauben öffentlich zu leben.
Kosten und Refinanzierung des Religionsunterrichts
Gelegentlich wird der Religionsunterricht infrage gestellt, weil er Geld kosten würde, das dann in den Gemeinden fehle. Dabei wird oft übersehen, dass der Religionsunterricht einen großen Teil des Geldes, das er kostet, selber einspielt. Die Gehälter der Lehrkräfte werden zu bis zu 82 Prozent vom Staat refinanziert. Die Kirche muss nur für den Rest aufkommen. Preisgünstiger ist eine kirchliche Präsenz in einer sehr breiten Öffentlichkeit kaum zu bekommen. Die Arbeit im Religionsunterricht fordert den Lehrkräften in Berlin eine große Frustrationstoleranz ab. Lerngruppen, die aufgrund von Abmeldungen von Jahr zu Jahr kleiner werden, sind die Regel. Es ist schwer, das nicht persönlich zu nehmen.
Ein selbst erlebtes Beispiel: Eine gut funktionierende Gruppe mit acht Teilnehmenden in der 7. Klasse erfährt nach den Sommerferien, dass der Unterricht nun am Montag in der ersten und zweiten Stunde stattfindet. Zwei Tage später hatte ich fünf Abmeldungen im Fach liegen. Denn normalerweise ist der Unterricht in den Randstunden vorgesehen. In Brandenburg ist die Situation etwas entspannter. Engagierte Lehrkräfte versuchen den Religionsunterricht zu stabilisieren, indem sie mit dem Ethik-Unterricht kooperieren. An sehr bereitwilligen Schulen kann dadurch eine Situation geschaffen werden, die der in Brandenburg ähnelt. Aber die rechtliche Grundlage dafür ist in Berlin unsicher. In den vergangenen Jahren ist immer wieder versucht worden, die Kooperationsmöglichkeiten einzuschränken.
Religionslehrkräfte als Botschafter der Kirche
Wolfgang Huber, früherer Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und ihrer Vorgängerkirche, hatte die Lehrkräfte, als der Status des Religionsunterrichts in den 90er Jahren heftig umstritten war, zu Recht als wichtige kirchliche Botschafter in der Gesellschaft bezeichnet. Angesichts des Bedeutungsverlustes, den die Kirche in unserer Zeit erfährt, hat diese Rolle noch an Gewicht gewonnen.
Norbert von Fransecky ist Religionslehrer in Berlin-Spandau und im brandenburgischen Hennigsdorf. Er ist Pfarrer im Ehrenamt in St. Nikolai in Berlin-Spandau.
Rechtliche Sonderregelungen in Berlin und Brandenburg: In Berlin ist das Fach Ethik für die Klassen 7 bis 10 verpflichtend. Eine Abwahl ist nicht möglich. Teilnehmende am Religionsunterricht haben daher Unterricht in der Regel zusätzlich zum Ethik-Unterricht – oft in Randstunden am Mittag oder Nachmittag. In Brandenburg sind Schülerinnen und Schüler, die Religionsunterricht haben, vom Fach LER (Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde) befreit, sodass Religion in vielen Fällen parallel zu LER stattfinden kann. Zusätzliche Stunden fallen dann nicht an. In Berlin und Brandenburg wird der Religionsunterricht von kirchlichen Angestellten erteilt. Im restlichen Bundesgebiet ist Religion (gemäß Art. 7,3 Grundgesetz) ordentliches Unterrichtsfach, das von staatlichen Lehrkräften gegeben wird, die eine zusätzliche Beauftragung durch die Kirche haben.
