Einst wollte der Regisseur selbst katholischer Priester werden. Doch dann fühlte er, man dürfe die Kirche nicht hinterfragen. Auch Papst Leo XIV. hat ihn bislang nicht überzeugt.
Den bayerischen Regisseur Christian Stückl (63) hat Papst Leo XIV. bislang nicht überzeugt. “Ich hab das angebliche Momentum der Kirche noch nicht gespürt”, sagte der langjährige Leiter der Passionsspiele von Oberammergau im Interview der “Süddeutschen Zeitung” (Dienstag); und: “Prevost ist ein netter Herr, aber bislang ein großes Rätsel für mich.”
Auch dass Leo den Vatikan als Verhandlungsort zwischen Russland und der Ukraine angeboten hat, sieht Stückl nicht als Hoffnung auf dessen politisches Wirken. Es sei wohl “eine amerikanische Angewohnheit zu glauben, man kann in 24 Stunden Frieden schaffen”.
Stückl sieht als erstes Signal von Papst Leo XIV. den Kompromiss. “Einerseits sagt er, er wolle den Weg von Franziskus weitergehen; andererseits lässt er Signale verlauten, dass es kein Umdenken in der Frauenfrage geben wird.” Kompromiss sei “leider nicht das, was die Kirche bräuchte”. Die große Angst aller Päpste sei wohl die einer neuerlichen Kirchenspaltung.
Mehr Eindruck als das Entrée von Leo XIV. habe auf ihn der Tag gemacht, als 2005 Joseph Ratzinger Papst wurde, so Stückl. “Alle haben damals diskutiert; in jeder Geste wollten die Leute da schon Veränderungen beobachtet haben.” Der Regisseur weiter: “Mir war klar, der wird auch nicht offener sein.”
Ratzinger habe er zuvor oft schon in Oberammergau erlebt oder in Salzburg beim “Jedermann” getroffen, sagte Stückl. Er sei einige Male mit ihm in Oberammergau zum Essen gewesen. “Da hat er immer seine Nudelsuppen bekommen. Ich wusste, der kommt über seine Nudelsuppen nicht hinaus.”
Papst Franziskus habe 2013 “seinen starken Auftritt gleich zu Beginn auf dem Petersplatz” gehabt, so Stückl. “Da brachen überall Frühlingsgefühle aus. Wochenlang haben alle seine Schuhe gefilmt, ihn beobachtet, wie er selbst Rechnungen beglichen hat.” Man habe gedacht, das sei nun die Befreiung der Kirche. “Zwölf Jahre später muss man sagen”, so Stückl: “große Ernüchterung”.
In der jetzigen Kirche müsse es bei kleinen Schritten bleiben: Schritte Richtung mehr Synodalität, den Frauen entgegen. “Aber es ist jetzt schon klar, dass zumindest das Frauenpriestertum und die Abschaffung des Zölibats mit dem Papst nicht zu haben sind”, meint Stückl. Ob das wirklich helfen würde? “Ich weiß nicht. In der evangelischen Kirche haben sie ein anderes Konzept – und genauso viele Kirchenaustritte wie in der katholischen.”
Die Kirche habe verlernt, ihre Botschaft in eine Sprache zu bringen, die die Menschen verstehen, beklagt der Regisseur. Das heiße nicht, dass diese Sprache ganz heutig sein müsse. “‘Kleines Senfkorn Hoffnung’, was man in der Messe in den 80er, 90er Jahren gesungen hat, das war auch gruselig.” Die Kirche habe den Draht zu den Menschen verloren. Dass die Menschen zum Glauben zurückkehrten, wenn es ihnen schlecht geht, glaube er nicht, so Stückl. “Man kann nicht zu etwas zurückkehren, was man gar nicht mehr kennt.”
Auf die Frage, warum er seine angestrebte Priesterkarriere nicht eingeschlagen habe, sagte Stückl, ihm sei “sehr schnell aufgegangen, dass man in der Kirche nichts hinterfragen darf”. Er wolle aber “immer fragen und hinterfragen dürfen”.