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Rechtsextremisten nutzen Queerfeindlichkeit zur Mobilisierung

Das Kulturbüro Sachsen rückt in einer neuen Publikation zu Rechtsextremismus die Themen Queerfeindlichkeit und Antifeminismus in den Mittelpunkt. Diese würden kaum als Kernphänomene rechtsextremer Strukturen wahrgenommen und seien daher seltener im Blick, sagte der Geschäftsführer des Kulturbüros Sachsen, Michael Nattke, am Dienstag in Dresden. Dabei seien sie ein Angriff auf den demokratischen Rechtsstaat.

Queerfeindliche und antifeministische Thesen richteten sich eindeutig gegen das im Grundgesetz verankerte Gleichheitsprinzip, sagte Nattke. Diese Themen würden bei sächsischen Rechtsextremisten immer mehr an Bedeutung gewinnen. Zu diesem Ergebnis kommt auch die jährliche Analyse des Kulturbüros „Sachsen rechts unten“, die am Dienstag für 2024 vorgestellt wurde.

Nicht erst seit den queerfeindlichen Aufmärschen zu den Christopher Street Days im vergangenen Jahr in Bautzen, Görlitz und Leipzig sei klar, dass Queerfeindlichkeit ein erhebliches Mobilisierungspotenzial für die extreme Rechte habe, sagte Nattke. Rechtsextreme Gruppen wie die „Elblandrevolte“ oder „Urbs Turrium“ aus Bautzen nutzten die Einstellung gezielt für ihre Propaganda, um Ängste zu schüren und Stereotype zu verstärken. Ihnen würden sich teilweise sehr junge Menschen anschließen.

Laut Melanie Riedlinger vom Kulturbüro Sachsen sorgen vor allem soziale Medien für eine erfolgreiche Mobilisierung von Jugendlichen. Vermittelt würden unter anderem auch völkische Geschlechterrollen. „Es verfängt, dass Rollen eingenommen werden“, sagte Riedlinger. Auf der Straße werde „eine dominante Männlichkeit“ zelebriert.

„Sachsen rechts unten“ nimmt laut Kulturbüro mit sieben Beiträgen auf 50 Seiten subtile wie manifeste Formen von Demokratiegefährdungen in den Blick und weist auf Entwicklungen sowie Feindbilder der extremen Rechten in Sachsen hin. Ein Artikel informiert über den Antifeminismus der sächsischen AfD und ihrer Jugendorganisation.

Laut Lisa Bendiek vom Kulturbüro werden von der AfD-Fraktion zum Beispiel oft Anfragen gestellt, auf die es keine Antworten geben könne, weil gewünschte Angaben nicht erhoben würden. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn nach „Gebärfähigen“ in Sachsen gefragt werde. Dies sei keine statistische Kategorie. Ziel solcher Anfragen sei, ein „Sprachrohr für völkische Politik zu schaffen“, sagte Bendiek: „Manchmal sind die Fragen einfach komplett absurd, es geht aber darum, bestimmte Ideologien zu vertreten.“

Ein Beitrag der neuen Broschüre befasst sich mit „Geschichtsvergessenheit, Sexismus und Queerfeindlichkeit“ am Beispiel der Stadt Pirna. Solvejg Höppner vom Kulturbüro Sachsen sagte, unter anderem würden dort Frauen im Stadtrat sexistisch beleidigt. Ohnehin seien nur fünf der insgesamt 27 Stadtratsmitglieder in Pirna Frauen.

Seit 2014 legt das Kulturbüro eine jährliche Analyse über die qualitative Verfasstheit der extremen Rechten in Sachsen vor, in diesem Jahr zum elften Mal. Die Broschüre, die in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen und der Amadeu Antonio Stiftung realisiert wurde, ist in einer ersten Auflage mit 1.500 Stück erschienen.