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Pränataltest auf dem Prüfstand – sinnvoll oder unethisch?

Der Pränataltest, kurz NIPT, ist seit gut zwei Jahren Kassenleistung. Und wird von Schwangeren als risikoarmer Test gerne in Anspruch genommen. Abgeordnete sehen die Entwicklung mit Sorge.

Es war eine “geriatrische Schwangerschaft”, also älter als 35 Jahre. Sarah J. sieht heute ihr Alter als Hauptgrund für den Alarmismus der Fachärztin für Feindiagnostik. Hinzu kam, dass die Versorgung des Fötus über die Nabelschnur nicht optimal war. “Meine Ärztin hat uns leider sehr verrückt gemacht”, sagt die 40-Jährige gut ein Jahr später. Im Hintergrund quäkt ihre kleine Tochter, gesund und putzmunter. Gemeinsam mit ihrem Mann, der über die mögliche Chromosomenstörung noch stärker verunsichert war als sie, hätten sie sich daher für den Pränataltest entschieden. Der Befund war unauffällig.

Der sogenannte nichtinvasive Pränataltest, kurz NIPT, ist seit 2022 Kassenleistung. Doch eine Gruppe von 121 Abgeordneten nahezu aller Fraktionen ist ob der Entwicklung der vergangenen zwei Jahre besorgt. Sie fürchten, dass der Test der werdenden Mutter auch unabhängig von seiner medizinischen Relevanz empfohlen wird. Daher wollen sie einerseits ein Monitoring einführen, um umfassende Daten zu erheben, welche Folgen die Kassenzulassung hat. Und es soll ein interdisziplinäres Gremium eingesetzt werden, das die rechtlichen, ethischen und gesundheitspolitischen Grundlagen der Kassenzulassung prüft. Am Freitag soll über den Antrag im Bundestag abgestimmt werden.

Der Pränataltest, je nach Hersteller auch mit blumigeren Namen, testet bei Schwangeren das Risiko auf Trisomie 13, 18 und 21 beim Fötus. Letztere ist bekannt als Down-Syndrom. Einige Testvarianten können auch seltenere Chromosomenstörungen erkennen. Ziel ist es, durch den Test nur noch bei Auffälligkeiten eine riskantere Fruchtwasseruntersuchung durchführen zu müssen. Der Test wurde bereits seit 2012 angeboten – allerdings gegen Bezahlung.

Im Juli 2022 entschied der zuständige Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von Kassen und Ärzten, den Bluttest zur Kassenleistung zu machen. Ziel war es, erklärt der G-BA auf Anfrage, mögliche Gefahren für Schwangere im Vergleich zur bisherigen Kassenleistung, einer invasiven Erst-Diagnostik, zu reduzieren. Es schien nicht begründbar, diese risikoärmeren Tests den gesetzlich versicherten Schwangeren vorzuenthalten.

Allerdings, so sehen es die Versicherteninformationen vor, soll der Test nur “in begründeten Einzelfällen bei Schwangerschaften mit besonderen Risiken” von den Kassen übernommen werden. Er ist keine Routineuntersuchung. Voraussetzung soll eine intensive ärztliche Beratung sein. Hier setzt die Kritik der Abgeordneten vor allem an. Aus Sicht der Parlamentarier, darunter etwa der ehemalige Behindertenbeauftragte Hupert Hüppe (CDU), wird weder in den Mutterschaftsrichtlinien noch in den Versicherteninformationen wirklich klar, wann genau der Test zum Einsatz kommen soll.

Daher beruft sich der Antrag der Parlamentarier auf eine Befragung von Schwangeren, wonach zwar die Mehrheit der Versicherten das Gefühl hat, sich frei entscheiden zu können. Doch etwa jede Dritte empfände die Versicherteninfos als klare Empfehlung: Machen Sie den Test. Fragt man im Bekanntenkreis herum, finden sich zahlreiche Schwangere, die den Test gemacht haben. Ihre Begründung: Er ist einfach und sicher.

Die Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bestätigen dies: Der Test wird rege genutzt. Pro Quartal wurden rund 70.000 Tests über die Kassen abgerechnet, zuletzt etwas mehr. Im ganzen Jahr 2023 waren es rund 278.000 Tests. Schätzt man den Anteil der etwa zehn Prozent Privatversicherten und rechnet ihn noch hinzu, wären es vermutlich mehr als 300.000 Test. Bei etwa 693.000 geborenen Kindern im vergangenen Jahr käme auf nahezu jede zweite Geburt ein Pränataltest.

Dabei dürfte das Alter der Schwangeren, wie Sarah J. vermutet, eine entscheidende Rolle spielen. So tritt Trisomie 21 mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit bei einer Schwangerschaft ab 35 Jahren auf. Ähnlich sieht es bei Trisomie 18 und 13 aus. Und die Frauen in Deutschland werden stetig älter bei der Geburt ihrer Kinder. Beim ersten Kind lag das Durchschnittsalter laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr bei 30,3 Jahren, beim zweiten Kind bei 32,5 Jahren.

Sowohl der G-BA als auch der Berufsverband der Frauenärzte begrüßen, dass sich ein Gremium weiter mit der Thematik auseinandersetzen soll. Viele rechtliche, ethische und auch gesamtgesellschaftliche Fragen rund um die Pränataldiagnostik seien ungeklärt. Der unparteiische Vorsitzende des G-BA, Josef Hecken, hatte in seiner Stellungnahme zum Antrag betont, dass er bereits vor der Kassenzulassung den Gesetzgeber aufgerufen hatte, sich der “fundamentalen ethischen Grundfragen” rund um die Testung anzunehmen.

Auf der anderen Seite weisen beide den Vorwurf eines “Massen-Screenings” zurück. Laut Hecken hätten vor der Kassenzulassung etwa 100.000 Schwangere im Jahr den Test aus eigener Tasche bezahlt. Darüber hinaus habe es etwa 30.000 bis 40.000 Fruchtwasseruntersuchungen im Jahr gegeben – eine Testmethode die viel größere Risiken für Mutter und Kind birgt, insbesondere das Risiko einer Fehlgeburt.

Die Zahl der Fruchtwasseruntersuchungen ist in den vergangenen Jahren erheblich gesunken. 2012 waren es noch mehr als 20.000. Zuletzt nurmehr etwa 5.500. In den letzten Jahren stagnierten die Zahlen aber nahezu. Eine große Veränderung durch die Kassenzulassung des Pränataltest lässt sich aus den Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung nicht herauslesen.

Der Berufsverband der Frauenärzte hält weder die These eines massenhaften Screenings noch einen möglichen kausalen Zusammenhang zwischen Pränataltest und späten Schwangerschaftsabbrüchen für stichhaltig. Schaut man sich die Entwicklung der Schwangerschaftsabbrüche in den vergangenen Jahren an, haben diese seit der Pandemie wieder leicht zugenommen, liegen aber unter dem Niveau von 2012.

Zugleich verteidigt der Verband seinen Berufsstand: Die Frauenärzte klärten die Schwangeren regelmäßig und nach bestem Wissen und Gewissen auf. Die Entscheidung für oder gegen einen Test liege am Ende bei der Frau. Sarah J. wechselte nach der Erfahrung die Ärztin. Was sie gemacht hätte, wenn der Befund anders ausgefallen wäre: “Darüber hätte ich mir dann Gedanken gemacht”, sagt sie heute. Grundsätzlich finde sie es aber gut, dass es diese frühen Tests gebe und damit die Freiheit, sich für oder gegen die Schwangerschaft zu entscheiden.