Geschichte in 15 Sekunden? Politisches Wissen per Meme? Die Gen Z will mehr als nur Infokacheln. Jugendliche und Experten diskutierten auf einer Tagung. Mit im Blick dabei: ein Ost-West-Projekt auf Instagram.
“Obwohl Jugendliche heute in einem vereinten Deutschland aufgewachsen sind, ist das Ost-West-Thema immer noch präsent”, berichtet Janina Franke. Sie ist Projektleiterin des Instagram-Formats “Wir in Ost und West”. Seit September versucht ihr Team mit dem Kanal Jugendlichen und jungen Erwachsenen Unterschiede zwischen der Bundesrepublik und der DDR aufzuzeigen, aber auch mit Vorurteilen aufzuräumen. Bei einem Workshop der Bundesstiftung Aufarbeitung in Berlin tauschten sich am Dienstag Jugendliche und Experten über politische Bildung für junge Menschen via Social Media aus.
Sie selbst habe lang nicht gemerkt, dass historisch gewachsene Unterschiede zwischen Ost und West heute noch ein Thema seien, sagt Franke. Selbst 1996 in Westdeutschland geboren, kannte sie Ostdeutschland lange nur durch die Brille der Medienberichterstattung: Wahlberichterstattung, AfD… “Dann habe ich gemerkt, welche Vorurteile und Stereotype in mir selbst verankert waren, ohne dass ich es wahrgenommen habe.”
Die in Ostdeutschland aufgewachsene Lisa Trebs hat nach eigenem Bekunden erst im Studium außerhalb Deutschlands festgestellt, dass ihre ostdeutsche Familiengeschichte was mit ihr mache. Bis dahin sei sie “mit der Einheitserzählung groß geworden”. Im Auslandsstudium sei ihr als einziger ostdeutscher Studentin und anderen Deutschen aufgefallen, dass es möglicherweise noch immer strukturelle Gründe dafür gebe.
Als Koordinatorin des Projekt “(K)Einheit – Wie die Gen Z über den Osten denkt” trifft sie im außerschulischen Kontext immer wieder auf Jugendliche und junge Erwachsene, um mit ihnen über die deutsch-deutsche Geschichte und über Wünsche an die Politik zu diskutieren. Dabei stellt sie fest: “Es braucht den Austausch vor Ort, um wirklich in eine Diskussion zu kommen.” Eindimensionales Lernen über Social Media reiche nicht aus, da in den Kommentarspalten auf Tiktok, Instagram und Youtube keine wirklichen Debatten geführt werden könnten.
Franke betont, soziale Medien dürften nicht separat von der Gesellschaft betrachtet werden. Sie seien ein neuer Raum, in dem Diskussionen entstehen. Dabei sei der große Vorteil, viele sehr unterschiedliche Menschen zu erreichen. Zugleich warnte sie aber auch vor einer großen Anonymität: “Wir können uns hinter dieser Distanz verstecken, müssen nicht ehrlich sein, können in Diskussionen über die Stränge schlagen.”
Deshalb sei Medienkompetenz so wichtig, betont Martin Kriemann von der Universität Halle-Wittenberg. Er beschäftigt sich mit Erinnerungsarbeit und Strukturwandel. “Geschichte hat immer was mit Macht und Herrschaft zu tun.” Gleiches gelte für die sozialen Medien. Es sei wichtig zu erkennen, wer dort was erzählt. Handelt es sich um Meinungen oder um Fakten? “Auch die Jugendlichen können hier die Erwachsenen mitnehmen. Da sind auch Jugendliche Experten ihrer eigenen Lebenswelt”, so Kriemann.
Für die historische Bildung etwa auf Instagram kann laut Kriemann ein lustiger Einstieg über Social-Media-Trends für einen Zugang zu einem Thema sorgen. Eine Auseinandersetzung damit ersetze das aber nicht. Er sieht noch eine andere Gefahr: “Nur weil ich das Video verstehe, heißt das noch nicht, dass ich Geschichte verstehe.”