Die Evangelische Kirche der Pfalz hat seit dem Jahr 1947 in ihrem Bereich insgesamt 22 Fälle von sexuellem Missbrauch gezählt.19 davon seien strafrechtlich relevant gewesen, sechs Täterinnen und Täter seien verurteilt worden, teilte die Landeskirche am Donnerstag in Speyer mit. Insgesamt habe es 49 Verdachtsfälle gegeben. Darin sei die ganze Bandbreite von Missbrauch von übergriffigem und distanzlosen Verhalten bis zur Straftat enthalten.
Hintergrund ist die Veröffentlichung der „ForuM-Studie“, der ersten unabhängigen und übergreifenden Studie zu sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen in der evangelischen Kirche am Donnerstag in Hannover. Demnach ist das Ausmaß von
sexualisierter Gewalt mit mindestens 2.225 Betroffenen und 1.259 mutmaßlichen Tätern größer als bisher angenommen.
Für die „ForuM“-Studie habe die Landeskirche nur 27 Verdachtsfälle vor allem aus Disziplinarakten gemeldet, darunter Fälle, die sich nicht bestätigt hätten, heißt es. Grund dafür sei, dass die Studie nur bestimmte Fallkonstruktionen berücksichtige. Auch seien Verdachtsfälle nicht aufgeführt, die nach dem Stichtag der Studie (31. Dezember 2020) bekannt geworden seien.
Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst zeigte sich erschüttert von den Ergebnissen der Studie. „Die Gewalt, die Menschen in der evangelischen Kirche widerfahren ist, das Wegsehen, das immer wieder stattgefunden hat, das Versagen unserer Kirche und Diakonie in vielen Fällen macht mich fassungslos und erfüllt mich mit tiefer Scham“, sagte Wüst. Viel zu oft habe die Kirche Menschen, die Schutz gebraucht hätten, im Stich gelassen.
Die Pfälzer Kirche wolle ihre Schutzmaßnahmen weiter verbessern und das erlittene Unrecht der Betroffenen angemessen anerkennen, sagte Wüst, die auch Sprecherin der kirchlichen Beauftragten im Beteiligungsforum der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. „Dazu ist eine Änderung unserer Haltung und Kultur notwendig – in unserer Landeskirche, in all unseren Gemeinden und all unseren Arbeitsbereichen“, sagte die Kirchenpräsidentin.
In sieben Missbrauchsfällen waren der Landeskirche zufolge Pfarrer die Täter, in neun Fällen Erzieherinnen und Erzieher beziehungsweise pädagogisches Personal. Weitere Fälle gebe es in der Kirchenmusik, bei Kirchendienern und ehrenamtlichen Mitarbeitenden. Nicht alle Täterinnen oder Täter seien verurteilt worden, weil sie unbekannt, verstorben oder die Fälle verjährt seien. Drei Verdachtsfälle seien noch nicht abgeschlossen. Eine „Unabhängige Kommission“ habe seit 2019 in neun Fällen Anerkennungsleistungen an Betroffene von Missbrauch bewilligt. Seither stelle auch ein Gesetz für Landeskirche und Diakonie verbindliche Weichen für die Intervention und Prävention. Bereits seit 2010 gebe es eine Ansprechperson für Betroffene oder die Meldung von Verdachtsfällen.