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Paul von Hindenburg wird Reichspräsident der Weimarer Republik

Wird schon. Das dachte sich manch ein Zeitgenosse, als der Held des Ersten Weltkriegs Paul von Hindenburg zum Präsidenten der Weimarer Republik gewählt wurde. Es sollte anders kommen.

Vor 100 Jahren stieg er noch einmal in den Ring. Eigentlich zehrte Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von Hindenburg vom Ruhm vergangener Tage. Doch dann spülte den greisen Feldmarschall ein politisches Patt in das höchste Amt der Weimarer Republik. Beim ersten Wahlgang zur Reichspräsidentenwahl am 29. März 1925 konnte keiner der sieben Kandidaten die erforderliche absolute Mehrheit auf sich vereinen.

Im zweiten Wahlgang am 26. April setzte sich Hindenburg dann gegen den Favoriten Wilhelm Marx von der katholischen Zentrumspartei durch. Ausgerechnet die Bayerische Volkspartei trug mit ihrer Unterstützung für den “preußischen Protestanten” Hindenburg zu dessen knappem Sieg bei. Heute gilt diese Wahl als Zäsur in der Geschichte der Weimarer Republik. “Viele fürchteten schon damals: Das ist der Anfang von Weimars Ende”, schrieb Volker Ullrich unlängst in der “Zeit”.

Zu den Merkwürdigkeiten der Biografie des am 2. Oktober 1847 geborenen Hindenburg gehört, dass er erst im Pensionärsalter populär wurde. Wenige Wochen nach Beginn des Ersten Weltkriegs wurde der damals 66-jährige General reaktiviert und mit dem Oberkommando der im Osten gegen russische Truppen kämpfenden 8. Armee betraut.

“Ich glaube, Dein Alter wird womöglich noch mal ein berühmter Mann!”, frohlockte Hindenburg in einem Brief an seine Gattin Gertrud. Die kurz darauf gewonnene “Schlacht bei Tannenberg” vom 26. bis 30. August 1914 machte aus dem “Russenschreck” in Windeseile eine der bekanntesten Figuren im späten Kaiserreich – auch wenn bei der Operation der Chef des Generalstabs der 8. Armee, Erich Ludendorff, und Oberstleutnant Max Hoffmann die Fäden in der Hand hielten.

Hindenburgs Anteil an den Planungen tendierte laut Historiker Wolfgang Pyta “gegen Null”. Aber dafür entfaltete der General bald schon erstaunliche PR-Aktivitäten in eigener Sache. Er selbst war es, der die Schlacht mit dem Ort Tannenberg in Verbindung brachte, wo ein Ritterheer des Deutschen Ordens 1410 gegen die Polnisch-Litauische Union den Kürzeren gezogen hatte. “Jetzt, nach 504 Jahren, kam die Revanche”, bilanzierte Hindenburg.

Geschickt spielte er auf der Klaviatur der Medien. Bald schon erschienen Beiträge, die seine Nervenstärke und Kaltschnäuzigkeit lobten. Hinter dem “Sieger von Tannenberg” konnte sich eine zutiefst verunsicherte Nation versammeln. Dazu passte dessen äußere Erscheinung. “Mit verbürgten 1,83 Meter Körpergröße besaß er für damalige Verhältnisse Gardemaß”, so Pyta. “Sein fast quadratischer Schädel hinterließ Eindruck.” Und der buschige Schnurrbart wirkte im Unterschied zu dem von Kaiser Wilhelm II. nicht “gestelzt”.

Als Hindenburg im August 1916 zusammen mit Ludendorff die Oberste Heeresleitung und damit die operative Verantwortung für das komplette Kriegsgeschehen übernahm, geriet der Kaiser als “oberster Kriegsherr” zusehends in die Defensive. Die erhoffte Wende für Deutschland konnte das neue Duo an der militärischen Spitze nicht bringen. Aber die Fahrt des Kaisers ins niederländische Exil sowie die Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen 1918 gingen letztlich auch auf den Druck Hindenburgs zurück.

Der nun folgenden Weimarer Republik erlegte er jedoch eine schwere Bürde mit der “Dolchstoßlegende” auf. Das im Feld angeblich unbesiegte Heer sei durch linke Agitation, durch Streiks und Revolten im Innern in die Knie gezwungen worden. Ironie der Geschichte: Ausgerechnet für das Amt des Staatsoberhaupt in der Weimarer Republik wurde Hindenburg zum zweiten Mal aus dem Ruhestand geholt.

Sollten die Republikaner ihre Wachsamkeit und ihre Einigkeit behalten, könne die Wahl Hindenburgs für die Republik und den Frieden “sogar noch ganz nützlich werden”, hoffte der Diplomat und Kunstmäzen Harry Graf Kessler. Das Gegenteil wurde schließlich wahr: Der überzeugte Monarchist Hindenburg führte die Weimarer Republik in den Untergang, indem er 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte. Bis zu seinem Tod 1934 habe der Reichspräsident dazu beigetragen, das NS-Regime zu stabilisieren, urteilt Pytas Kollege Eckart Conze.