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Orthodoxe Kirchen: bloß kein Streit

Auf Kreta findet Ende Juni ein Konzil statt, an dem alle 14 eigenständigen orthodoxen Kirchen teilnehmen. Welche Rolle die weltweite Ökumene dabei spielt, erklärt die Ostkirchen-Expertin Jennifer Wasmuth

Vom 16. bis 27. Juni findet mit dem Panorthodoxen Konzil in Kreta die erste gesamtorthodoxe Versammlung seit mehr als einem Jahrtausend statt. Die Berliner Kirchenhistorikerin und Expertin für Ostkirchenkunde Jennifer Wasmuth erklärt im Gespräch mit Stephan Cezanne die Zusammenhänge.

Es gibt Hoffnungen, das Pan­orthodoxe Konzil könne eine Art Zweites Vatikanisches Konzil für die Ostkirchen werden. Dabei hatte sich ja die römisch-katholische Kirche für die moderne Welt geöffnet. Denken Sie, dass sich das bei der orthodoxen Weltkirche wiederholen könnte?
In der orthodoxen Weltkirche gibt es Vertreter sehr unterschiedlicher Strömungen, darunter auch solche, die gegenüber den Entwicklungen in der Moderne sehr aufgeschlossen sind. Im akademischen Bereich gibt es dafür viele Beispiele, auch in orthodoxen Kernländern wie Griechenland und Russland. Wenn Vertreter dieser Strömungen sich auf dem Konzil Gehör verschaffen könnten, so bestünde die reale Chance, dass das Konzil zu einem Zweiten Vatikanischen Konzil wird. Allerdings lassen die bisherigen Planungen nicht erwarten, dass es dazu kommt. Denn es wird ein reines Bischofskonzil sein. Vertiefende Diskussionen sind nicht vorgesehen. Wenn nur eine der Delegationen der 14 eigenständigen Kirchen mit einer Beschlussvorlage nicht einverstanden ist, gilt sie als abgelehnt. Es ist also alles stark reglementiert, Kontroversen sollen vermieden werden.

Ein Thema des geplanten Panorthodoxen Konzils sind die Beziehungen der orthodoxen Kirchen zum Rest der christlichen Welt. Werden sich die Orthodoxen den protestantischen Kirchen mehr öffnen?
Das ist zurzeit nicht absehbar. In jedem Fall ist es in dieser Hinsicht von Vorteil, dass das Themenspektrum reduziert und ein brisantes Thema wie die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ausgeklammert worden ist. Wenn das Panorthodoxe Konzil hier im Sinne der Russischen Orthodoxen Kirche, die eine solche Segnung kategorisch ablehnt, abgestimmt hätte, hätte das für die Beziehungen orthodoxer Kirchen gerade zu jenen protestantischen Kirchen, mit denen offizielle Dialoge geführt werden, fraglos negative Konsequenzen gehabt.

Welchen Blick haben die Orthodoxen auf das Reformationsjubiläum 2017?
Die Reformation gilt als ein westkirchliches Ereignis, das die orthodoxen Kirchen nicht betrifft. Es gibt zwar beispielsweise in Deutschland regelmäßig von der EKD veranstaltete Treffen unter dem Titel „Tübingen II“, die in Erinnerung an die Begegnung des Patriarchats von Konstantinopel mit Tübinger Theologen im 16. Jahrhundert stattfinden und die Frage nach der Bedeutung der Reformation für die orthodoxen Kirchen zum Thema haben. Auch ist für das kommende Jahr im Rahmen des Dialoges zwischen Lutherischem Weltbund und Panorthodoxie eine feierliche Jubiläumsveranstaltung geplant. Letztlich sind das aber nur punktuelle Ereignisse, ein genuines Interesse ist nicht erkennbar.

Was können Protestanten von orthodoxen Christen lernen? Welche Stärken hat die Orthodoxie mit Blick auf Glaubenspraxis und Spiritualität?
Was die orthodoxen Kirchen in jedem Fall von protestantischen Kirchen unterscheidet, ist ein liturgischer Reichtum, der die Feier des Mysteriums der Menschwerdung Gottes in einer anderen Intensität zulässt. Auch ist bei orthodoxen Gläubigen durch die verpflichtende asketische Praxis der Glaubensvollzug viel stärker in die Alltagswelt integriert, als das bei protestantischen Gläubigen üblicherweise der Fall ist.

Die orthodoxe Welt war zuletzt eher von internen Konfrontationen wie dem Ukraine-Konflikt geprägt. Das Panorthodoxe Konzil soll mehr Einheit unter den Orthodoxen schaffen. Wie realistisch ist das?
Dass das Konzil in heiklen Fragen wie der Vereinheitlichung des liturgischen Kalenders zu weitreichenden Entscheidungen kommt, steht nicht zu erwarten. Allerdings wird bereits die Tatsache, dass das Konzil stattfindet, ein wichtiges Signal nach innen wie nach außen sein: Das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel hat bereits im Vorfeld deutlich gemacht, dass es bereit ist, eigene Interessen hinter die Einheit zurückstellen. Auch das Moskauer Patriarchat hat bei aller Kritik an den Konzilsplänen festgehalten. Wenn das Panorthodoxe Konzil also stattfindet, dann wird konkret, was angesichts der innerorthodoxen Konflikte manches Mal fraglich erscheint: dass die unterschiedlichen Lokalkirchen tatsächlich die Eine Orthodoxe Kirche repräsentieren.