Bremen/Bielefeld (epd). Annette Kurschus ist am Mittwoch zur neuen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gewählt worden. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagt die höchste Repräsentantin der rund 20,2 Millionen Protestanten in Deutschland, was von ihr zu erwarten ist, wie sie im Gespräch mit Betroffenen von Missbrauch vorankommen will und warum sie selbst in der derzeit verschärften Pandemielage die Hoffnung nicht aufgibt.
epd: Sie wurden mit großer Mehrheit zur neuen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gewählt. Was können die Mitglieder der evangelischen Kirche von Ihnen erwarten?
Annette Kurschus: Dass ich die Hoffnung in diese Welt trage. Für mich ist das der Grundauftrag der Christen in unserer Gesellschaft. Dafür werde ich alles tun.
epd: Sie haben erkennen lassen, dass Sie sich weniger öffentlich äußern wollen als Ihr Vorgänger Heinrich Bedford-Strohm. Wird die Stimme der evangelischen Kirche in der Gesellschaft mit Ihnen leiser?
Kurschus: Die Stimme der Kirche will und muss in diese Gesellschaft. Sie darf nicht fehlen bei vielen politischen und gesellschaftlichen Fragen. Und sie wird auch von mir weiterhin zu hören sein.
epd: Sie haben versprochen, die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche zur Chefinnnensache, also zu Ihrer, zu machen. Was heißt das konkret?
Kurschus: Ich werde mich der Kritik der Betroffenen stellen. Dabei will ich noch einmal nachfragen, ob ich ihre Wünsche und Bedürfnisse richtig verstanden habe und umgekehrt von ihnen hören, was sie von unserer Seite verstanden haben. Mein Eindruck ist, dass wir bei diesem Thema zunächst einmal klare Verständigung und transparente Kommunikation brauchen. Ich hoffe, dass wir dadurch auf dem Weg der
Vertrauensbildung weiterkommen.
epd: Denken Sie auch über strukturelle Konsequenzen nach, nachdem das Miteinander des Beauftragtenrats der EKD und des inzwischen ausgesetzten Betroffenenbeirats offenbar nicht gut funktionierte?
Kurschus: Das werden wir noch sehen müssen, dazu haben wir ja gerade eine Expertise in Auftrag gegeben. Klar ist für mich, dass wir eine strukturelle Betroffenenbeteiligung bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt brauchen und dass die Auseinandersetzung mit dem Thema in der Synode verstetigt wird.
epd: Die evangelische Kirche steht angesichts des Mitgliederverlusts auch insgesamt vor strukturellen Veränderungen. Wo werden Sie Akzente setzen?
Kurschus: Mein Fokus liegt vor allem auf der Verheißung: Die Kirche hat Zukunft – unabhängig von ihrer Größe. Auch wenn wir kleiner werden, behält die Botschaft, von der wir leben, ihre Kraft.
epd: Sie werben für die Kirche, weil sie eine Botschaft der Hoffnung habe. Wie lautet diese Botschaft angesichts der derzeit wieder dramatisch steigenden Zahl Corona-Infizierter und Covid-19-Erkrankter?
Kurschus: Gott hat uns das Leben geschenkt mit allen wunderbaren Momenten und auch den tiefen Abgründen. Die Hoffnung ist, dass er uns auch jetzt nicht preisgibt und uns hält. Gott hat uns auch mit Verstand und Vernunft begabt. Sie mahnen uns, in verantwortlicher Fürsorge auf unsere Mitmenschen zu achten.