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Neue Debatte über Sterbehilfe gefordert

In die Debatte über Suizidassistenz hat sich der Hamburger Landespastor Dirk Ahrens eingeschaltet – und davor gewarnt, “dass es am Ende um Personen und nicht um die Sache geht”.

Landespastor Dirk Ahrens
Landespastor Dirk AhrensSven Kriszio

Hamburg. Der Hamburger Diakonie-Chef Dirk Ahrens hat die Kirche dazu aufgefordert, die Debatte über Suizidassistenz in evangelischen Einrichtungen offensiv zu führen. “Momentan werden Positionen von leitenden Geistlichen hochgehalten, die vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts formuliert wurden. Das geht nicht mehr”, sagte der Leiter des Diakonischen Werks Hamburg dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ahrens ist auch Vorsitzender des Ausschusses Diakonie im Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung.

Der Präsident des Diakonie-Bundesverbandes, Ulrich Lilie, hatte sich gemeinsam mit anderen Vertretern der Kirche für die Möglichkeit zur Suizidassistenz in diakonischen Einrichtungen ausgesprochen und damit eine Debatte entfacht. Auch der hannoversche Landesbischof Ralf Meister hat sich für diese Möglichkeit ausgesprochen. Die offizielle Haltung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) schließt organisierte Suizidassistenz bislang aus.

“Nicht unter dem Tisch halten”

Ahrens sagte, die von Lilie angestoßene Debatte werde gebraucht. Man dürfe nicht versuchen, “die Diskussion unter dem Tisch zu halten”. Die Menschen vor Ort in den diakonischen Einrichtungen müssten konkret mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgehen. “Als Leitende müssen wir ihnen dabei helfen”, sagte er. Nicht zuletzt durch das Verfassungsgerichtsurteil sähen sich Einrichtungen in der ambulanten Pflege, in den Pflegeheimen und Krankenhäusern immer wieder mit dem Wunsch konfrontiert, dass Menschen ihr Leben beenden wollen.


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Das Bundesverfassungsgericht hat am 26. Februar 2020 das Verbot organisierter – sogenannter geschäftsmäßiger – Hilfe beim Suizid gekippt und damit unter anderem Sterbehilfeorganisationen Recht gegeben, die Sterbewilligen todbringende Medikamente zur Selbsttötung überlassen. Die Karlsruher Richter begründeten dies mit dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben, das auch die Hilfe Dritter beim Suizid erlaube.

Mit Blick auf den Dissens zwischen dem EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm und Lilie warnte Ahrens vor der Gefahr, “dass es am Ende um Personen und nicht um die Sache geht”. Er plädierte für geordnete Diskussionen in den Gremien. Dazu gehörten zentral der Rat der EKD und der Ausschuss Diakonie, der den Vorstand des Bundesverbandes berät. “Nur so kommen wir voran”, sagte er.

Kein Geschäftsmodell

Wichtigstes Ergebnis dieses Prozesses müssten Schutzkonzepte sein. “Darin liegt der Schlüssel, um Sorgen und Vorbehalte auszuschließen”, sagte der Diakoniechef: “Der Tod darf weder zum Businessmodell noch eine leichte Variante werden, um anderen nicht mehr zur Last zu fallen.” Man brauche Verfahren und eine Vorstellung davon, wie Suizidassistenz in diakonischen Einrichtungen überhaupt ablaufen könnte, “bevor wir entscheiden können, ob assistierter Suizid in diakonischen Einrichtungen denkbar wäre”. (epd)