Vesperkirche in Bielefeld: Für Margret Pieper ist sofort klar: „Da mache ich mit.“ So hat sie sich heute Vormittag auf ihr Fahrrad geschwungen und ist pünktlich um 10.30 Uhr in der Neustädter Marienkirche.
Zum ersten Mal bietet der evangelische Kirchenkreis Bielefeld eine Vesperkirche an – initiiert von der Neustädter Mariengemeinde nach dem Vorbild der Gütersloher Vesperkirche. Noch bis zum 23. Februar gibt es täglich umsonst ein warmes Mittagessen in der Kirche. „Das Ziel ist, unterschiedlichen Menschen Begegnungen zu ermöglichen“, sagt Uwe Moggert-Seils, Pressesprecher des Kirchenkreises.
Margret Pieper ist gespannt. „Wir haben zu Beginn ein Lied gesungen und dann wurden die Aufgaben verteilt.“ Die 70-Jährige ist eine von 35 Helferinnen und Helfern und hat sich für den Tischdienst gemeldet. „Das ist mir die liebste Aufgabe, da komme ich mit den Menschen in Kontakt.“
Jeden Tag sorgt ein 35-köpfiges Team für den reibungslosen Ablauf. „Insgesamt engagieren sich über 800 Ehrenamtliche für dieses Projekt“, freut sich Uwe-Moggert-Seils.
Die Tische sind gedeckt. Das Essen wird im Johanneswerk gekocht und in die Kirche geliefert. Es riecht verlockend. 11.30 Uhr: Die Kirchentür wird für die Besucherinnen und Besucher geöffnet. „Die werden in Achter-Gruppen eingeteilt und von einem ,Oberkellner‘ oder einer ,Oberkellnerin‘ an die Tische geführt“, erklärt Margret Pieper. Die Oberkellner nehmen die Bestellungen auf. Es gibt jeden Tag zwei Menüs: mit Fleisch oder vegetarisch. Die Bestellzettel geben sie an der Essenausgabe ab. Dann kommen Margret und die anderen vom Tischservice ins Spiel. „Wir bringen die Teller mit dem gewünschten Gericht an die Tische.“
Unterstützung durch viele Sponsoren und Spender
Und schon schnappt sich Margret zwei Teller und serviert. Heute gibt es Geflügelschnitzel mit Kartoffeln und Gemüse. Alternativ kann man statt des Schnitzels auch eine Brokkoli-Nussecke bestellen. Getränke stehen auf dem Tisch, da kann sich jeder bedienen.
Von den 23 Tischen sind gut die Hälfte besetzt. Es ist aber auch erst kurz vor 12 Uhr. „So ist es wenigstens nicht zu stressig“, sagt Margret. Sie serviert schon die ersten Nachspeisen – Gebäck, das eine große Bäckereikette in Bielfeld spendet. „Das muss an Tisch 1. Wo ist der?“ Sie schaut sich suchend um. „Ah, da!“ Margret bringt den Gästen das Gebäck und hält ein Pläuschchen.
„Es ist erstaunlich, wieviele Sponsoren sich gemeldet haben“, freut sich Uwe Moggert-Seils. Das reicht von den Getränken und Gebäck über Strom bis hin zur Fußbodenverlegung. Letzteres ist nötig, damit der Sandsteinboden in der Kirche geschützt wird. Ebenso gibt es bis jetzt schon einiges an Einzelspenden. „Das können wir auch gut gebrauchen. Die Gesamtkosten liegen voraussichtlich im hohen fünfstelligen Bereich“, so der Pressesprecher. „Allein die Mahlzeiten werden etwa 30 000 Euro kosten.“
Inzwischen füllt sich die Kirche. Die ersten Gäste sind bereits fertig und machen Platz für die nächsten. „Da müssen wir neu eindecken“, stellt Margret fest. Ruckzuck ist der Tisch wieder besetzt und weiter geht es mit dem Servieren. Margret Pieper bringt die Teller. Sie hat immer ein Lächeln im Gesicht und ein freundliches Wort für die Gäste.
Einige kennt sie, die sind – wie sie – auch aus der Mariengemeinde. Es sitzen auch etliche Menschen beim Essen, die auf der Straße von dem Angebot erfahren haben. „So ein warmes Essen tut schon gut“, sagt einer. Einen Tisch weiter sitzt Doris Glootz. „Ich habe das in der Zeitung gelesen. Deswegen bin ich heute da.“ Sie ist mit dem Bus gekommen. „Mein Mann ist verstorben“, erzählt sie. „Ich werde noch öfter kommen. Auch zu dem Kulturprogramm im Rahmen der Vesperkirche. Dann komme ich mal raus.“ Sie schaut sich um. „Ganz schön viel los hier. Ist aber auch ein wunderbares Angebot.“
Betrieb über Mittag von 11.30 bis 14 Uhr
Margret Pieper und die anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wuseln herum. „Was bin ich froh, dass ich meine bequemen Schuhe anhabe“, sagt sie.
Um 13 Uhr gibt es eine kurze Andacht. Es geht um Dietrich Bonhoeffer und sein Gedicht „Von guten Mächten“. Das spielt die Organistin anschließend auf der Orgel. Margret ist dankbar für die kurze Pause. Sie sitzt mit einer anderen Helferin am Altar und hört zu.
Danach geht es weiter. „Es macht mir richtig Spaß. Die Leute sind alle so nett zueinander“, sagt Margret Pieper. „Ich habe mich insgesamt achtmal zum Helfen eingetragen. Öfter sollen wir Ehrenamtlichen auch nicht.“
Gegen 13.45 Uhr leert sich die Kirche. An einem Tisch sitzt eine Frau und beobachtet das Treiben. Makuli heißt sie. „Es berührt mich sehr, dass so viele ältere Menschen hier bedienen und arbeiten. So ein tolles Angebot.“ Sie erzählt von sich – von ihrer Flucht aus der Türkei, von Flüchtlingsheimen. „Hier in dieser Kirche habe ich das Gefühl, dass alle Menschen gleich sind.“
Um 14 Uhr schließt die Vesperkirche. Die Ehrenamtlichen sind schon weit: Tische sind abgewischt, Stühle hochgestellt. Später kommt der Putztrupp. Zum Abschluss kommen sie im Chorraum zusammen. Der Tagesleiter bedankt sich und mit einem gemeinsamen Lied endet der Mittag. „Ich freue mich schon auf die weiteren Einsätze. Die Vesperkirche ist geneu mein Ding“, sagt Margret Pieper. Jetzt radelt sie nach Hause und legt erst mal die Füße hoch.