Predigttext
1 Ist nun bei euch Ermahnung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit, 2 so macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid. 3 Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst, 4 und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient.
Unser tägliches Brot gib uns heute!“ Martin Luther hat diese Bitte aus dem Vaterunser im Kleinen Katechismus erklärt. Er versteht unter dem täglichen Brot nicht nur Nahrung und Kleidung, sondern er zählt auch Lebenspartner, Kinder, „gute Freunde, getreue Nachbarn und dergleichen“ dazu. Gemeinschaft also. Der Mensch braucht zum Leben die Gemeinschaft genauso wie Essen und Trinken.
Das Miteinander des Glaubens ist lebenswichtig
Die Lesungen, die zum kommenden Sonntag gehören, sprechen vom Brot. Die alttestamentliche erzählt vom Volk Israel, das in der Wüste hungert. Gott speist es mit Manna, und jeder bekommt davon so viel, wie er braucht. Das Evangelium des Sonntags ist eins von den Speisungswundern: Jesus dankt für das Wenige, was vorhanden ist, gibt es den hungrigen Menschen, und alle werden satt. In dem Abschnitt aus dem Phillipperbrief, der als Grundlage für die Predigt vorgeschlagen ist, kommt das Brot nicht vor. Paulus legt der Gemeinde dies ans Herz: „Dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid.“ Das hält er für lebenswichtig wie tägliches Brot, dass die Menschen ihren Glauben miteinander leben, dass sie nicht nur sich und ihre persönliche Gottesbeziehung kennen.
Eines Sinnes sein – heißt das, dass alle das Gleiche meinen, glauben und tun sollen? Aus heutiger Sicht ist Individualität in unserer Gesellschaft fast das höchste Gut. Sie wird geradezu mit Freiheit gleichgesetzt. Jeder soll frei sein, sein Leben so zu gestalten, wie er es für richtig hält, jeder muss sämtliche Wahlmöglichkeiten haben, 24 Stunden am Tag.
Eines Sinnes – aber nicht alle gleich
Auch in unseren Kirchengemeinden spüren wir, wie wählerisch Menschen oft sind: Sie achten genau darauf, ob ihnen Angebote zusagen, ob die Gottesdienstform genehm ist oder ob es die richtigen Menschen sind, mit denen sie sich ein gemeinsames Engagement vorstellen könnten.
Einmütigkeit, Gemeinschaftssinn, für die junge Gemeinde in Philippi war das überlebenswichtig, denn sie war von außen und von innen bedroht. Paulus bangt darum, dass sie sich nicht auseinanderdividieren lässt. Einmütigkeit und Gemeinschaftssinn sind lebenswichtige Grundhaltungen des Glaubens. Wenn jemand erlebt, dass Christus sich ihm zuwendet, wird er frei. Frei von der Sorge, zu kurz zu kommen und nicht genug gewürdigt zu werden. Frei von der Angst, alles stehe auf dem Spiel, wenn andere anders sind als man selbst. Frei von der Sorge um sich selbst, deshalb frei für andere und das, was sie brauchen. Christus ist der Halt. Sich von Christus geliebt zu wissen, macht glücklich und stolz. Glückliche und stolze Menschen aber sind fähig, sich selbst zurückzunehmen. Sie können die eigenen Wahlmöglichkeiten dem Wohl der Gemeinschaft unterordnen.
Wenn das Grundnahrungsmittel des Glaubens, das tägliche Brot, die Liebe Christi zu uns Menschen ist, dann heißt „eines Sinnes sein“ gerade nicht, dass alle das Gleiche meinen, glauben und tun müssen. Dann heißt es, dass Menschen einander als geliebte Kinder Gottes ansehen lernen. Dass sie begreifen, wo die Not, die Hoffnung eines anderen liegen und welche Möglichkeiten man selbst bekommen hat, ihnen zu begegnen: In den Brot-Geschichten des kommenden Sonntags geht es nicht zufällig ums Teilen.