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Nachruf auf Papst Franziskus: Konfessionen waren ihm egal

Der Papst ist tot. Michael Jonas, Pfarrer der evangelisch-lutherischen Christuskirche Rom, hat Franziskus einige Male getroffen und blickt auf diese besonderen Momente zurück.

Papst Franziskus, hier im September 2024, war ein echter Menschenfreund, schreibt Pfarrer Michael Jonas
Papst Franziskus, hier im September 2024, war ein echter Menschenfreund, schreibt Pfarrer Michael JonasImago / Andrea Calandra

Es gehört zu den Besonderheiten des Pfarramtes an der Christuskirche Rom, dass man regelmäßig dem Papst begegnet. Jährliche ökumenische Gebete, besondere weltkirchliche Ereignisse wie Synoden, Jubiläen oder Jugendtreffen: Bei allen diesen Gelegenheiten ist man als Vertreter der evangelisch-lutherischen Kirche eingeladen und hat meist die Gelegenheit, dem Papst die Hand zu geben und einige Sätze zu wechseln.

Ich durfte das in den vergangenen sechs Jahren immer wieder erleben: Große Aufmerksamkeit. Feierliches Protokoll. Das alles wäre ja schon etwas Besonderes. Die Begegnungen mit Papst Franziskus wären damit aber nicht ausreichend beschrieben. Er hat es bei jeder einzelnen Begegnung geschafft, auf die zwischenmenschliche Ebene zu kommen und an unserer persönlichen Beziehung anzuknüpfen. Das schafft man nicht ohne immenses Gespür und bemerkenswertes Personengedächtnis.

Michael Jonas: Privataudienz bei Papst Franziskus

In meinem ersten Jahr in Rom hatte ich eine Privataudienz bei ihm, und wir redeten eine knappe Stunde über die lutherische Gemeinde in Rom, die er von seinem Besuch her kannte, und über die Herausforderungen für das Christentum in der Gegenwart. „Das war deine Sternstunde mit Franziskus.“, sagte ich mir nachher, „So intensiv wirst du nie mehr mit ihm reden.“

Michael Jonas ist Pfarrer der deutschen evangelischen Gemeinde in Rom und hat Papst Franziskus mehrfach getroffen
Michael Jonas ist Pfarrer der deutschen evangelischen Gemeinde in Rom und hat Papst Franziskus mehrfach getroffenepd-bild / Almut Siefert

Als ich ihm einige Wochen später bei einer großen Veranstaltung in einer langen Schlange ökumenischer Repräsentanten wieder gegenüberstand, wollte ich ihn kurz an mich erinnern und nochmals für die Privataudienz danken. Dazu kam ich gar nicht. Bevor ich den Mund aufmachen konnte, dankte er mir für meinen Besuch und sagte, dass er sehr glücklich über unser Gespräch gewesen sei.

Er schaffte es auch in den größten Zusammenhängen, sich blitzschnell auf sein Gegenüber zu konzentrieren. Nach dem Requiem für Papst Benedikt XVI. auf dem Petersplatz rief er die ökumenischen Vertreter spontan zu sich. „Wie geht es eurer Gemeinde?“ fragte er mich und hatte nach diesem Ereignis von weltkirchlicher Bedeutung tatsächlich Raum für einen Gedanken an uns. Dieses Interesse am Gegenüber war nie gespielt.

Evangelischer Pfarrer in Rom: „Franziskus war ein echter Menschenfreund“

Bei einer anderen Gelegenheit stand ich wieder in einer Schlange von Geistlichen, die ihm, im Rollstuhl sitzend, die Hand geben konnten. Da die Schlange lang war und Franziskus müde, wollte ich mich kurzfassen. Ich sagte schnell meinen Wunsch für seine Gesundheit und wandte mich schon ab. Da ergriff er mich am Ärmel und zog mich zurück. Und dann kamen sie wieder: die Fragen nach unserer Gemeinde und nach meinem Wohl. Franziskus war ein echter Menschenfreund. Er hatte echtes Interesse an seinem jeweiligen Gegenüber – unabhängig von Stand und Konfession. Das zeichnete ihn aus.

Papst Franziskus hatte eine tiefe Beziehung zu Jesus Christus

Ich habe oft überlegt, woher diese intuitive und manchmal impulsive Menschenliebe bei Franziskus kam. Ich glaube, sie ist nicht zu erklären ohne seine Jesus-Liebe. Er hatte eine tiefe, unmittelbare und (jesuitisch) schnörkellose Beziehung zu Jesus Christus. Der Mann aus Nazareth mit seiner Menschenliebe war für Papst Franziskus Maßstab und erstes Gegenüber.

Als ich ihn am Ende jener Privataudienz noch um den Segen für einen jungen Menschen bat, faltete er ohne Zögern mit mir die Hände und sprach ein spontanes an Jesus gerichtetes Gebet. So kann man nur mit Freunden reden.