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“Mutig, stark, beherzt” – Zehntausende beim Kirchentag in Hannover

Der 39. Evangelische Kirchentag zieht seit Mittwoch Menschen aus ganz Deutschland an. Unter dem Motto “mutig, stark, beherzt” setzen die Teilnehmenden ein Zeichen für Glauben und gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Zehntausende kommen seit Mittwoch in Hannover zum 39. Evangelischen Kirchentag zusammen. Die noch bis Sonntag andauernde Großveranstaltung in der niedersächsischen Landeshauptstadt steht unter dem Motto “mutig, stark, beherzt” und will in unruhigen Zeiten gesellschaftliche und religiöse Akzente setzen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußerte gleich zu Beginn im Eröffnungsgottesdienst den Wunsch, dass von dem Kirchentag angesichts einer aktuellen “Flut schlechter Nachrichten” eine Ermutigung ausgehen solle. “Zuspruch – das ist es vielleicht, was gerade heute die meisten von uns ersehnen und brauchen.”

Allein am Donnerstag waren einer Sprecherin des Kirchentags zufolge rund 30.000 Menschen auf dem Messegelände unterwegs. Insgesamt werden rund 100.000 Besucher zu Bibelarbeiten, Gottesdiensten und Konzerten erwartet. Viele Menschen bewegen sich angesichts der sommerlichen Temperaturen mit Sonnenhut und -brille in der Stadt und zwischen den Messehallen. Hitzebedingte Vorfälle gab es laut Sprecherin bisher nicht: “Alle versorgen sich gut.”

Auch Maik (55) und Melanie (53) sind aus Braunschweig zum Treffen der Protestanten angereist. Das Paar fährt schon seit vielen Jahren zu Kirchentagen, wie es berichtet. Sie schätzten den “Spirit” und die Begegnungen dort. “Gerade in diesen Zeiten stärkt einen auch das Gemeinschaftsgefühl, das man hier erlebt”, sagt Melanie. Und Maik ergänzt: “Man wird geerdet.” Für ihn sei der Höhepunkt des Kirchentags der Segen, der jeden Abend gespendet werde.

Der Kirchentag zieht auch prominente Politiker an. Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief am Donnerstag mit Blick auf den Klimawandel dazu auf, sich nicht entmutigen zu lassen. Bis heute beschäftige sie die Frage, ob sie in ihrer Amtszeit genug für den Klimaschutz getan habe.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) rief dazu auf, als Christen Mut zu zeigen. Ihm zufolge unterscheiden Populisten bei der sozialen Frage nicht zwischen oben und unten, sondern zwischen drinnen und draußen – also zwischen denen, die dazugehören, und denen, die nicht dazugehören. “Hier sind wir als Christen aufgefordert, dagegenzuhalten.”

Das weitläufige Messegelände bietet nicht nur Räume für Diskussionen, sondern auch für Erholung unter hohen Bäumen. In Halle 4 und 5 präsentieren sich auf dem “Markt der Möglichkeiten” kleine Gruppen sowie große kirchliche und kirchennahe Organisationen. Die Arbeitsgemeinschaft Biblischer Figuren etwa stellt das Gleichnis vom barmherzigen Samariter, der nicht an dem Notleidenden vorbeigeht, dar. Das korrespondiert mit dem Plakat der Organisation Sea-Watch: “Nächstenliebe kennt keine Außengrenze.”

Die Initiative “Ökumene in der Mitte” fragt in einem Quiz nach Redewendungen. “Ist das Kirche – oder kann das weg?” – diese Frage wirft die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck auf. Die Antworten auf kleinen Zetteln sind unterschiedlich: Während eine Stimme für eine “überschaubare Kirchengemeinde” und gegen die Entwidmung von Kirchen plädiert, verlangt eine andere “Kirche muss politisch sein”.

Minister und Amtsträger der neuen Bundesregierung sind auf dem Kirchentag kaum vertreten. Friedrich Merz (CDU) etwa, der am Dienstag zum neuen Bundeskanzler gewählt werden soll, hatte eine ursprünglich geplante Bibelarbeit abgesagt. Er war in den vergangenen Wochen mit der Bildung der neuen Bundesregierung befasst.

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) wird am Samstag erwartet. Sie hatte zuletzt Kirchen dafür kritisiert, “wie eine NGO” Stellungnahmen zu tagesaktuellen Themen abzugeben. Die Katholikin hatte dafür viel Gegenwind geerntet. Am selben Tag wollen Kirchentagspräsidentin Anja Siegesmund sowie Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, politische Dimensionen des Glaubens mit Klöckner diskutieren.