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Mit Menschen über Bücher sprechen – Darum radelt Lennart Schaefer

3.500 Kilometer spürt er bereits in den Knien, aber seine Motivation ist ungebrochen: Lennart Schaefer radelt auf seiner “Literadtour” den ganzen Sommer durch Deutschland, um fürs Lesen zu werben. Was er dabei erlebt.

Wenn Lennart Schaefer auf einer Dorfstraße – etwa in Sachsen – mit seinem Rad hält, kann es sein, dass er bei den männlichen Passanten mit seinem etwas sperrigen Gefährt Aufsehen erregt: “Die Männer schauen mein Fahrrad dann an, wie sie auch ein Auto angucken würden – fachmännisch irgendwie”, sagt der junge Hamburger und erklärt: “Auf dem Land gibt es Lastenräder noch nicht so oft.” So komme er ins Gespräch: Erst übers Radeln und seine Reiseroute, dann übers Lesen.

Seit der Leipziger Buchmesse im März ist Schaefer fast nur noch auf dem Fahrradsattel anzutreffen. 3.500 Kilometer ist er bereits geradelt, erst durch Ostdeutschland, dann ins Rheinland und nach Berlin. Rund 10.000 Kilometer könnten es werden, bevor der 27-Jährige im Oktober sein Ziel, die Frankfurter Buchmesse in Hessen erreicht. Bis dahin will er alle 16 Bundesländer durchquert und zahlreiche Buchhandlungen und Schulen besucht haben – inklusive einer Stippvisite auf der nordfriesischen Insel Sylt.

Die “Literadtour”, die er durch einen Blog und Videos etwa auf Instagram bewirbt, ist für Lennart ein Lebenstraum. Dafür nimmt er auch in Kauf, dass er seine Freundin wochenlang nicht sieht, ihm Hintern und Knie wehtun und er in Gästebetten, auf Schlafcouches und in Hotelzimmern schläft. Er merkt den täglichen Tritt in die Pedale trotz Elektro-Antrieb auch in den Muskeln: “Meine Jeans ist an den Oberschenkeln enger geworden.” Obenrum sehe es dagegen eher mau aus, sagt er grinsend.

Ein Viertel der Viertklässler kann nicht richtig lesen, besagen Studien. Dabei ist Lesen der Schlüssel zu Bildung – “und vor allem macht es einfach Spaß”, sagt Lennart. “Ich hatte das Glück, dass meine Eltern mir früh vorgelesen haben.” “Tintenherz” von Cornelia Funke war dann das Buch, das ihn fürs Selbstlesen begeisterte. “Für mich ist Lesen einfach gute Unterhaltung.”

Als Jugendlicher – ein Alter, in dem viele die Lust am Lesen verlieren – wurde Lennart Mitglied von einem Lesekreis, der sich einmal im Monat traf. Mit 14 fing er an, in jeden großen Ferien ein Praktikum bei Verlagen zu machen. Er bekam Kontakte zu Autoren, erhielt Leseexemplare vor ihrem Erscheinen. Seit dem Abitur arbeitet er in der Buchbranche.

Zur Zeit liest er am liebsten vor allem Sachbücher über Umwelt und Klima – “weil ich den Eindruck habe, dass man oft über viele Sachen redet, von denen man aber keine Ahnung hat”, sagt er. Und er habe eine Schwäche für Liebesromane wie etwa “Gut gegen Nordwind” von Daniel Glattauer oder “Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben” von Anika Decker.

Neben Regenkleidung und Zahnbürste hat Lennart auch acht Bücher auf sein Lastenrad gepackt. Sie alle hat er gern gelesen, sie alle sollen auf seiner Tour die Menschen, denen er begegnet, dazu bringen, mal wieder zum Buch zu greifen: Dazu zählt etwa das Jugendbuch “Percy Jackson” von Rick Riordan oder der Debütroman von Fußballspieler Christoph Kramer “Das Leben fing im Sommer an”.

Bestsellerautor Frank Schätzing hat er auf seiner Radtour getroffen, Moderatorin Christine Westermann und auch Helge Vogt, den Cover-Illustrator von “Percy Jackson”. Finanziert wird das Ganze durch Kooperationen, Fördermittel, Spendengelder und Crowdfunding.

Damit Kinder mehr lesen, brauche es vor allem Vorbilder: “Wer zum Beispiel abends eine feste Lesezeit für die Kinder etabliert, sollte dann auch selbst lesen”, schlägt er vor.

Auch die ein oder andere Schule hat der Lesefan auf seiner Radtour besucht. Dabei ist es ihm wichtig, den Schülerinnen und Schülern “positive Identifikationsfigur” zu sein. Auch er habe in der Schule nicht alle Bücher, die man im Deutschunterricht lesen musste, gemocht – und auch nicht alle ganz gelesen, gibt er zu. “Wer liest, ist nicht nur brav”, sagt Lennart.

Dass Menschen immer wieder stolpern übers Buch und übers Lesen – dafür hat er viele Ideen und Projekte. Zum Beispiel einen Lesewaggon in der Berliner Ringbahn: “So eine Art ‘Silent bookclub’: In New York gab es zum Beispiel einmal eine Aktion, bei der alle Menschen, die mit der U-Bahn fahren, in einem Buch gelesen haben”, erzählt er begeistert. “Oder Lese-Flashmobs an Orten, an denen Literatur gar nicht so üblich ist – etwa im Zoo: “Man muss neue Bilder von lesenden Menschen schaffen”, findet er.

Er wünscht sich auch mehr Werbung fürs Buch von Prominenten – “zum Beispiel eine öffentliche Shortlist von Bundeskanzler Friedrich Merz”, schlägt Lennart vor. Was der wohl nach der Arbeit liest?

Menschen, mit denen er sich auf der Straße unterhält, sagten ihm oft: “Ich würde ja gerne mehr lesen. Aber ich habe so viel Stress und dafür leider keine Zeit”, erzählt er. “Denen antworte ich dann: ‘Gerade deshalb sollten Sie mehr lesen. Lesen entspannt.'” Und manche schreiben ihm nach einer Begegnung auch. Dann heißt es etwa: “Du hast mich wieder zum Lesen gebracht. Dafür danke ich Dir.”