In den 1920er Jahren sprühte der expressionistische Maler Peter August Böckstiegel vor Schaffenskraft. Er gewann unter anderem 1921 den Großen Sächsischen Staatspreis, beteiligte sich pro Jahr an 20 Ausstellungen. Private Sammler und Museen kauften seine Bilder, die mit ihren Landschafts- und Bauernmotiven, den starken Farben und Kontrasten den Einfluss seines Vorbildes van Gogh zeigen. „Als Gestalter suche ich die beglückende Reinheit der Natur, den berauschenden Duft der Blume, die organische Lebenskraft“, schrieb der Sohn von Kleinbauern damals.
In Hanna, Schwester des Malerfreundes Conrad Felixmüller, fand er sein privates Glück. Sie pendelten zwischen dem Atelier in Dresden und dem ostwestfälischen Heimatdorf Arrode bei Werther, wo Böckstiegel seine Inspiration fand.
Drei Ausstellungen pro Jahr geplant
In Dresden und Bielefeld erinnern August-Böckstiegel-Straßen heute an den Künstler. Doch ist sein Bekanntheitsgrad gegenüber damaligen Weg- und Zeitgenossen wie Otto Dix, Conrad Felixmüller oder Emil Nolde vergleichsweise gering. Ein neues Böckstiegel-Museum in Werther-Arrode will das ändern. Am 7. April 2018 – Böckstiegels 129. Geburtstag – soll der geradlinige Flachbau mit einer Ausstellungsfläche von 400 Quadratmetern eröffnet werden. Die Baukosten von 3,5 Millionen Euro werden über eine 2008 vom Kreis Gütersloh gegründete Peter-August-Böckstiegel-Stiftung und Spenden finanziert.
Der künstlerische Leiter des Hauses, David Riedel, plant drei Ausstellungen pro Jahr. Die Eröffnungsschau sei ein „Best of Böckstiegel“ mit 70 teils seltenen oder noch nie gezeigten Werken, kündigt er an. Themenschwerpunkte des Museums werden laut Riedel die klassische Moderne in Westfalen und der deutsche Expressionismus sein.
Böckstiegel gilt mit Felixmüller als Vertreter der zweiten Generation des deutschen Expressionismus (1913-1925). Sie knüpften an die Ziele der Dresdner Avantgarde-Gruppe „Die Brücke“ (1905-1913) an, die vor dem Ersten Weltkrieg mit einer neuen ausdrucksstarken, gefühlsbetonten Malweise Aufsehen erregte.
Böckstiegel, der mit einem Stipendium an der Kunstakademie in Dresden studieren konnte, widmete sich schon früh dem bäuerlichen Umfeld seiner Eltern. „Seine Bilder idealisierten nicht“, sagt Riedel, „er malte keine Kalenderblätter, sondern zeichnete deren entbehrungsreiches Leben.“ Gleichzeitig strahlten die Werke eine große Gemeinschaft aus: die Nachbarn, Alt neben Jung – und immer wieder die Eltern.
Die tiefen Furchen im Gesicht der fast zahnlosen Mutter, der gebückte Vater, erschöpft von der Arbeit und doch würdevoll mit klarem Blick – „meine Eltern als erdverbundene Menschen wurden mir zum ‚Sinnbild des Menschentums‘“, sagte Böckstiegel einmal.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten kam der Bruch. Weil Böckstiegel neben Felixmüller und Dix der gesellschaftskritischen Künstlervereinigung „Dresdner Sezession Gruppe 1919“ angehört hatte, wurden fast 100 seiner Werke aus Museen geraubt. Er war tief verletzt. Als sein Atelier bei der Bombardierung Dresdens 1945 komplett zerstört wurde, zog er sich mit Hanna und den beiden Kindern Sonja und Vincent nach Arrode zurück.
Im überregionalen Kunstbetrieb konnte er danach nicht mehr Fuß fassen. Allein seiner Frau und den Kindern sei es zu verdanken, dass nach seinem Tod 1951 sein Erbe erhalten blieb, sagt Riedel.
„Besondere Verbindung zwischen Leben und Werk“
Böckstiegel hinterließ insgesamt 1300 Ölbilder, Zeichnungen, Radierungen und Skulpturen. Dazu kommt seine Kunstsammlung, in der Namen wie Lehmbruck, Barlach, Munch und Kollwitz vertreten sind. Ein großer Teil des Besitzes ist eingelagert und wechselt ins neue Museum, das über ein klimatisiertes Depot verfügen wird.
Bislang dient Böckstiegels Geburtshaus in Arrode als Ausstellungsort, das bestückt ist mit Bildern, persönlichen Gegenständen und Dokumenten des Künstlers. Das kaminrote Gebäude, das der Maler mit Mosaiken und Holzschnitzereien aufwendig verzierte, sei ein „kleines Gesamtkunstwerk, authentisch erhalten“, schwärmt Riedel, der seit fünf Jahren dort arbeitet und forscht. „Das ist ein Schatzhaus, ich fühle mich als sein Hüter!“
Das neue Museum entsteht in direkter Nachbarschaft. Mit einer Natursteinverkleidung soll sich der barrierefreie Bau in die Landschaft aus Feldern und Bäumen schmiegen. Ein großes Panoramafenster öffnet den Blick aufs alte Böckstiegel-Haus, „um die besondere Verbindung zwischen Leben und Werk an diesem Ort deutlich zu machen“, erklärt der künstlerische Leiter.
Das alte Böckstiegel-Haus in Werther-Arrode kann nur in Verbindung mit einer Führung in Gruppen von maximal 13 Besuchern besichtigt werden. Die Führungen finden jeden Samstag und Sonntag sowie an Feiertagen in der Zeit von 15 bis 16 Uhr statt. Eine Anmeldung ist nicht nötig. Private Führungen können gebucht werden unter Telefon (0 52 03) 32 97 oder per E-Mail: u.dohrmann@boeckstiegel-haus.de. Internet: www.boeckstiegel-haus.de.