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Milei nach Papstbesuch: Kurswechsel oder weitere Konfrontation?

Nach seinem Besuch bei Papst Franziskus im Vatikan muss der argentinische Präsident im eigenen Land einen Neustart versuchen. Die Armenpriester des südamerikanischen Landes fordern einen Kurswechsel.

Jahrelang haben argentinische Medien bei jedem Vatikan-Besuch von Präsidentin Cristina Kirchner (2007-2015) sowie ihren Nachfolgern Mauricio Macri (2015-2019) und Alberto Fernandez (2019-2023) jedes Foto und jede Geste von Papst Franziskus genaustens analysiert. Ein Lächeln auf den offiziellen Bildern galt als Zustimmung, ein eingefrorenes Gesicht als Distanzierung.

Mit Javier Milei aber war alles anders: Der marktliberale Ökonom ging offensiv auf den Papst zu, umarmte das Kirchenoberhaupt und sorgte damit für spektakuläre Titelseiten. Die entsprechenden Bilder samt der Bemerkung, Franziskus habe ihm nicht nur verziehen, sondern er (Milei) habe einige Punkte überdacht, sollten in der Heimat signalisieren: Man hat sich angenähert, der alte Streit ist beigelegt. Der enge Papstvertraute Kardinal Victor Manuel “Tucho” Fernandez erklärte, Franziskus empfinde keine Feindseligkeit gegenüber dem neuen Staatsoberhaupt.

Die konservativen Medien “La Nacion” und “Clarin” werteten den Besuch in Rom als großen Erfolg, die linksgerichtete “Pagina 12” zeichnete noch einmal den weiten Bogen nach, den Milei vom einst scharfen Kritiker des Papstes zum neuen Freund durchlief. Ähnlich schnell schaffte das bislang nur Cristina Kirchner, ehemalige Kritikerin des Erzbischofs von Buenes, nach der Wahl von Jorge Mario Bergoglio im März 2013 zum Papst, als sie innerhalb weniger Tage ihre Einstellung zu ihm komplett änderte. Milei dagegen dürfte auch mit den Clips im Netz, die applaudierende Passagiere auf dem Linienflug zurück nach Buenos Aires zeigten, einige Sympathiepunkte gesammelt haben.

Die wird er auch brauchen, denn jetzt geht es darum, den selbst verschuldeten Trümmerhaufen nach einer Abstimmungsniederlage im Kongress wegzuräumen. Im Prinzip beginnt nun die Präsidentschaft Milei also zum zweiten Mal.

Unterdessen riefen die als Armenpriester bekannten Pfarrer aus sozialen Brennpunkten des Landes den Regierungschef zum Dialog und zum Überdenken seines bisherigen Weges auf, der vor allem ein knallhartes Sparprogramm vorsieht. “Wir sind Zeugen, dass die Zahl der Armen in bemerkenswerter und skandalöser Weise zugenommen hat, seit er Präsident ist. Arme Menschen, denen das Essen für die Suppenküchen verweigert wird, arme Menschen, die unterdrückt werden, wenn sie protestieren”, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Geistlichen, die sich schon im Wahlkampf besorgt über Mileis Kurs geäußert hatten.

Mit Spannung warten nun viele auf aktuelle Zahlen der Katholischen Universität in Buenos Aires, die in den vergangenen Jahren mit ihrer Armutsstatistik stets für politische Diskussionen sorgte. Jüngst meldete sich überdies Ex-Präsidentin Kirchner mit Kritik zu Wort. Als Zielscheibe dient ihr vor allem Wirtschaftsminister Luis Caputo, dem sie vorwirft, für die hohen Auslandsschulden Argentiniens verantwortlich zu sein. Caputo war in der Amtszeit des konservativen Präsidenten Macri Finanzminister. Damals wurde ein milliardenschwerer Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) ausgehandelt.

Ex-Präsidentschaftskandidat Juan Grabois, linker Arbeiterführer und eng mit Kirchner verbunden, setzt ebenfalls auf einen Sinneswandel nach dem Besuch im Vatikan. Er hoffe, Milei sei “mit einem anderen Herzen aus Rom zurückgekehrt”. Zugleich äußerte Grabois Zweifel, denn der neue argentinische Staatschef sei “Fanatiker eines bösen Dogmas”.

Für Milei stehen nun wichtige Personalentscheidungen an. Bis Ende März will er die brüchige Zusammenarbeit mit den konservativen Kräften festigen, um ein nochmaliges Abstimmungsdesaster zu verhindern. Wie das alles gelingen soll und woher das Geld für die Sanierung der argentinischen Staatshaushalts kommen soll, ist ungewiss. Offenbar soll es den einflussreichen Gewerkschaften an den Geldbeutel gehen, die bisweilen von Familien geführt werden, die seit Jahrzehnten an der Spitze der Organisationen stehen. Das allerdings dürfte neue Proteste hervorrufen. In einem ersten TV-Interview nach seiner Rückkehr gab sich Milei am Mittwoch (Ortszeit) gewohnt aggressiv. Auf einen neuen Stil lässt das erst einmal nicht schließen.