Der Berliner Mediziner Matthias David warnt vor schnellen Schlüssen aus der Elsa-Studie. Bei den meisten ermittelten Zahlen handele es sich um Stichproben und nicht um repräsentative Daten.
Der Berliner Gynäkologe Matthias David hat die vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlichte Elsa-Studie zur Versorgung von ungewollt schwangeren Frauen in Deutschland kritisiert. Eine notwendige Liberalisierung der Regelungen für Schwangerschaftsabbrüche könne er aus den Ergebnissen nicht herleiten, erklärte David im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin.
Elsa steht für “Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung”. Die Studie, die aus mehreren Teilstudien besteht und knapp 1.000 Seiten umfasst, gab das Bundesgesundheitsministerium in Auftrag. Sie wurde vor rund zwei Wochen veröffentlicht.
David, der für die erste Leitlinie zum Schwangerschaftsabbruch der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe verantwortlich ist und selbst Abtreibungen vornimmt, erklärte weiter, bei den meisten in der Elsa-Studie ermittelten Zahlen handele es sich um Stichproben, die nicht repräsentativ seien. So seien 33.000 Frauen angeschrieben worden, rund 4.600 hätten sich zurückgemeldet. Einen Schwangerschaftsabbruch hätten 600 vornehmen lassen. Das sei bei rund 100.000 Abbrüchen jährlich in Deutschland “verschwindend gering”. Er warne deshalb vor schnellen Schlussfolgerungen aus der Studie.
David bemängelte weiter, dass die Forschenden für die Erreichbarkeit einer geeigneten medizinischen Einrichtung nur eine zumutbare Dauer von 40 Minuten mit dem Auto zugrunde gelegt – und dann eine schlechte Versorgungslage konstatiert hätten. Auch im Vergleich mit der Erreichbarkeit von Kliniken bei anderen Operationen könne er keine Versorgungslücke für ungewollt schwangere Frauen feststellen. Aus der Studie gehe zudem hervor, dass sich das Gros der befragten Frauen medizinisch gut betreut fühle.
Aus medizinischer Sicht gibt es für den Gynäkologen keinen Grund für eine Liberalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. “Aus langer Berufserfahrung kann ich nur sagen, dass wir mit dem seit rund drei Jahrzehnten bestehenden Kompromiss bei der Regelung des Schwangerschaftsabbruchs gut zurechtkommen, er hat die Gesellschaft in dieser Frage befriedet”, so David. Eine weitere Liberalisierung sei aus seine Sicht eine rein politische Frage. Von der Politik wünsche er sich, dass in einer Expertenanhörung, zu der auch Ärztinnen und Ärzte “in angemessener Zahl” eingeladen werden sollten, in Ruhe erörtert werde, was aus der Studie ableitbar sei und was nicht.
Grüne, Linke und Teile der SPD hatten nach Veröffentlichung der Studie eine schlechte Versorgungslage für ungewollt schwangere Frauen, die einen Abbruch vornehmen lassen wollen, beklagt und gefordert, die derzeitige Abtreibungsregelung zu reformieren.