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Literaturarchiv: Notizbücher geben tiefe Einblicke in Rilkes Werk

Die Notizbücher des Dichters Rainer Maria Rilke (1875-1926) geben nach Ansicht der Direktorin des Deutschen Literaturarchivs Marbach (DLA), Sandra Richter, neue Einsichten in das Leben und das Werk des Autors. Erste Einblicke in die Taschenbücher zeigten, dass „seine Texte nicht einfach so vom Himmel fielen“, sagte sie am Mittwoch bei der Online-Pressekonferenz zur Öffnung eines Teilbestands des Rilke-Archivs.

Beinahe 100 Jahre hätte die Wissenschaft auf den vollständigen Einblick in die sogenannten „Taschenbücher“ des Dichters Rainer Maria Rilke gewartet. Von den insgesamt etwa 60 Notizheften seien bislang nur zwei bekannt gewesen, so Richter. Nun seien die ersten fünf der weitgehend unbekannten Notizhefte digitalisiert und ab sofort im Lesesaal des Archivs an speziellen Computern einsehbar. In den Notizheften sind Tagebucheinträge und ganze Tagesabläufe Rilkes zu finden, ebenso wie Notizen, Adressen, Rechnungen und Skizzen von Gedichten.

Mit dem 2022 erworbenen Rilke-Archiv Gernsbach übernahm das DLA eines der nach eigenen Angaben bedeutendsten Autorenarchive des 20. Jahrhunderts. Der Nachlass umfasst mehr als 10.000 handschriftliche Seiten mit Werkentwürfen und Notizen, rund 8.800 Briefe und über 400 Bücher und Zeitschriften aus Rilkes noch fast völlig unerforschter Bibliothek. Auch mehr als 400 Fotografien sind erhalten, darunter viele historische Originalabzüge aus allen Lebensphasen Rilkes, sowie Fotos seiner Familie und Freunden und Ansichten seiner Wirkungsstätten.

Der erste Teilbestand sei jetzt archivarisch und bibliothekarisch erschlossen und stehe der Forschung digital zur Verfügung. Inzwischen seien 10.000 Datensätze vorhanden von Briefen von und an Rilke, sagte Ulrich von Bülow, Leiter der Abteilung Archiv des DLAs. Die Briefe und Notizhefte sollen voraussichtlich bis Ende 2024 erschlossen sein.

Bis Ende 2025 soll das Rilke-Archiv Gernsbach der internationalen Forschung auch digital uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Ab Ende 2025 wird im Marbacher Literaturmuseum der Moderne eine große Rilke-Ausstellung die Vielfalt der Materialien erstmals auch einem breiteren Publikum präsentieren. Die Erschließung des Rilke-Nachlasses wird gefördert durch die Wüstenrot-Stiftung.

Das Rilke-Archiv Gernsbach besteht im Kern aus einem umfangreichen Teilnachlass von Rainer Maria Rilke. Ein weiterer, kleinerer Nachlass befindet sich im Schweizerischen Literaturarchiv Bern. Der Teilnachlass des Rilke-Archivs Gernsbach wurde nach Rilkes Tod ergänzt durch Briefe, die sich bei den Briefempfängern befanden. (1229/05.06.2024)