Nach dem Bruch eines Kirchenasyls durch die Schweriner Polizei gibt es Kritik an den deutschen Behörden. Die Vorstandsvorsitzende der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, Dietlind Jochims, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag, es sei ihr unverständlich, wie die Behörden mit der betroffenen geflüchteten Familie aus Afghanistan umgegangen seien und bislang respektierte Schutzräume wie das Kirchenasyl missachtet hätten. Der Hamburger Erzbischof und katholische Flüchtlingsbeauftragte, Stefan Heße, nannte das Vorgehen der Behörden „erschreckend“.
Die Polizei in Schwerin hatte wegen eines Amtshilfegesuchs der Kieler Ausländerbehörde am Mittwoch ein bestehendes Kirchenasyl in der evangelischen Petrusgemeinde in Schwerin gebrochen, um zwei erwachsene Söhne einer sechsköpfigen afghanischen Familie nach Spanien abzuschieben. Die Abschiebung scheiterte, weil sowohl die Mutter als auch einer der Söhne sich in einem psychischen Ausnahmezustand befanden. Bis auf die Mutter, die sich noch in einer Klinik befindet, hält sich die Familie weiter im Kirchenasyl der Gemeinde auf.
Wie die Flüchtlingsbeauftragte der evangelischen Nordkirche, Jochims, mitteilte, handelt es sich bei der Mutter um eine bekannte Frauenrechtlerin und Journalistin, die in ihrer Heimat nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 bedroht wurde. Über das Aufnahmeprogramm für Afghanistan des Bundesinnenministeriums und des Auswärtigen Amtes war der Familie zunächst eine Aufnahme in Deutschland zugesichert worden. Die Visumserteilung verzögerte sich aber laut Jochims massiv.
Da das Leben der Familie in Afghanistan zusehends gefährdet gewesen sei und sie dringend medizinische Behandlung benötigt habe, floh sie in den Iran. Von dort aus sei die Familie mit einem spanischen Visum nach Europa gelangt. „Es ist ein Armutszeugnis für die Behörden, dass die Visa-Formalitäten viel zu schleppend angesichts der Lebensgefahr für die Familie bearbeitet worden sind“, kritisierte Jochims.
Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein appellierte an die Integrationsministerin des Landes, Aminata Touré (Grüne), einen gesicherten Aufenthalt der Familie zu gewährleisten. Dass der Kieler Ausländerbehörde trotz der fachärztlich und therapeutisch nachgewiesenen Erkrankung von Mutter und Sohn nichts Besseres einfalle, als „mit brachialer Gewalt“ zu versuchen, die traumatisierte Familie aus dem Kirchenasyl heraus zu zwingen, „sollte die Amtsleitung und die ministerielle Fachaufsicht alarmieren“, teilte der Flüchtlingsrat mit.
Heße betonte, das Kirchenasyl werde auch künftig gebraucht, um humanitäre Härten abzuwenden. Deshalb sei es wichtig, dass die Behörden die Tradition des Kirchenasyls respektierten. „Bisher gab es hierfür verlässliche Verfahren, von denen ich hoffe, dass sie auch zukünftig praktiziert werden.“ Jochims beklagte, die Institution Kirchenasyl komme durch die Vorgabe, die Zahl der Abschiebungen zu erhöhen, zunehmend unter Druck. Im Juli hatte ein Fall aus Viersen für Aufsehen gesorgt, als Behördenvertreter ein kurdisches Ehepaar aus dem Irak aus dem Kirchenasyl holten.