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Konfirmanden forschen über NS-Zeit

Gemeinsam mit ihrer Pastorin suchen 21 Konfirmanden nach Spuren ehemaliger Häftlinge des Konzentrationslagers Ahrensbök – und werden fündig.

Konfirmandin Anisa Wichelmann verliest Informationen über einen KZ-Insassen, der ein Großonkel des Onkels ihres Vaters war
Konfirmandin Anisa Wichelmann verliest Informationen über einen KZ-Insassen, der ein Großonkel des Onkels ihres Vaters warMarco Heinen

Stockelsdorf. Karl-Ludwig Tretau (65) war ziemlich überrascht, als er Ende März in seiner Lokalzeitung die Überschrift „Stockeldorfer Konfirmanden auf Spurensuche“ las und darunter die Frage: „Wer kennt ehemalige KZ-Häftlinge?“ 
Die Stockelsdorfer Pastorin Almuth Jürgensen und die 21 Jungen und Mädchen ihres Konfirmandenkurses hatten sich an die örtlichen Medien gewandt und um Unterstützung bei einem besonderen Projekt gebeten. Denn gemeinsam mit Bürgervorsteher Harald Werner hatten sie zuvor die Gedenkstätte Ahrensbök besucht und waren dort in Unterlagen auf die Namen der 20 Männer gestoßen, deren Namen jetzt in der Zeitung standen. Einer der Namen lautete Fritz Tretau – Karl-Ludwig Tretaus Großvater.
18 Männer aus Stockelsdorf und zwei aus Arfrade waren damals im Konzentrationslager Ahrensbök inhaftiert. Zwischen dem 3. Oktober 1933 und dem 9.  Mai 1934, als das Lager aufgelöst wurde, sperrten die Nazis dort rund 300 politische Gegner weg. Es waren vor allem Kommunisten und Sozialdemokraten, die inhaftiert wurden. Am Ende überlebten aber alle das Lager zum Glück.

Kurz vor Weihnachten inhaftiert

Auch Fritz Tretau war ein Linker. Ob er wirklich der KPD angehörte, wie es in den Unterlagen von damals notiert ist? Der Enkel ist sich da nicht so sicher. „Mein Vater hat mir mal gesagt, dass sein Vater im KZ war, wollte aber nicht groß darüber reden. Das hat er immer abgeblockt“, so Tretau.  
Inhaftiert wurde Fritz Tretau zwei Tage vor Weihnachten 1933. Weil er fürchten musste, ins KZ Neuengamme überführt zu werden, folgte er dem Rat eines Kameraden, sich freiwillig zur Wehrmacht zu melden. So konnte er zwei Wochen später das KZ ­Ahrensbök wieder verlassen. „Er ist aus dem Krieg zurückgekommen. Er hat es geschafft“, sagt der Enkel, der seinen Opa noch kannte. 
„Es haben sich erstaunlich viele Leute gemeldet“, berichtet die Konfirmandin Nele Jeschke (14). Acht waren es, die über insgesamt sechs Personen zu berichten wussten. Seine Unterstützung angeboten hatte auch der Heimatforscher Rainer Wagner, der mithilfe alter Adressverzeichnisse und anderer Quellen viele Informationen beitragen konnte, so dass unterm Strich nur noch von 3 der 20 Männer jegliche Angaben fehlten. Es zeigte sich sogar, dass eine Konfirmandin über viele Ecken mit einem der Lagerinsassen verwandt ist.

Rose "Friedenslicht" gepflanzt

Die Jugendlichen trafen sich kürzlich mit drei der Erwachsenen, die sich gemeldet hatten. Darunter war der Sohn eines früheren KZ-Insassen, der nicht nur viel zu erzählen wusste, sondern sich auch emotional sehr berührt zeigte. „Einfach zu kommen und uns von seinem Leben zu erzählen, das finde ich sehr toll und auch mutig“, sagt Nele Jeschke. Auch Viviana Meß (14) zeigte sich von dem Mann beeindruckt. „Das war der spannendste Teil, weil er am meisten von dem wusste und sehr viele Bilder mit hatte“, sagt sie.  „Die Geschichte auf diese Art kennengelernt zu haben, ist viel besser, als wenn man sie nur im Geschichtsunterricht hört.“
Wenige Tage später pflanzten alle Beteiligten im Park hinter dem Herrenhaus von Stockelsdorf zwei Rosenstöcke der Sorte „Friedenslicht“ , um an die Gefangenen zu erinnern. 18 weitere solcher Rosenstöcke sollen an anderen Orten in Stockelsdorf und Arfrade gesetzt werden. Neben politischen Spitzenvertretern der Gemeinde Stockelsdorf kamen zu der Pflanzung auch Ingaburgh Klatt und Monika Metzner-Zinssmeister, die amtierende Vorsitzende des Trägervereins der Gedenkstätte und ihre Vorgängerin, um ihre Wertschätzung für das Projekt der Konfirmanden zu zeigen.