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Königin im Exil – Vor 250 Jahren starb Caroline Mathilde in Celle

Im Residenzmuseum im niedersächsischen Celle hängen die drei Porträts in einer Reihe: Der Hofmaler Jens Juel malte 1771 den dänischen König Christian VII., seine Frau Caroline Mathilde und den königlichen Leibarzt Johann Friedrich Struensee im selben repräsentativen Stil. „In den Bildern steckt schon fast die ganze Geschichte“, sagt die Leiterin des Museums im Celler Schloss, Juliane Schmieglitz-Otten. „Es kommt darin alles zusammen, Skandal, Liebe und Tod.“ Es sei bemerkenswert, dass der Maler den bürgerlichen Deutschen Struensee und das Königspaar gleichwertig porträtierte. „Struensee stieg schnell auf und wurde am dänischen Hof im Absolutismus in kürzester Zeit zum Reformer. Und ihn verband eine Affäre mit der Königin.“

Vom 10. Mai an erinnert an deren letzten Wohnort im Celler Schloss eine Sonderausstellung an Caroline Mathilde. Unter dem Motto „London-Kopenhagen-Celle“ entfalten Schmieglitz-Otten und ihre Mitkuratorin Michelle Bappert darin ein Bild vom kurzen Leben der Monarchin, die am 10. Mai 1775 – vor 250 Jahren – im Alter von 23 Jahren starb. Neben der Liebesaffäre, die weit über Dänemark hinaus Aufsehen erregte, geht es um den Beginn der Aufklärung und politische Intrigen, an deren Ende die Hinrichtung Struensees stand. Und es geht um den Glanz, den die Königin im Exil für kurze Zeit in die frühere Residenzstadt Celle zurückbrachte.

Caroline Mathilde wurde am 22. Juli 1751 in England als Tochter des Prince of Wales, Friedrich Ludwig von Hannover, geboren. Als Schwester von König Georg III. von Großbritannien erlebte sie schon früh eine Aufgeschlossenheit, die sie empfänglich machte für neue Ideen der Zeit, wie die Celler Kuratorinnen berichten. Auch der Kieler Professor für Geschichte Nordeuropas, Martin Krieger, sagt: „Sie war eine gebildete, selbstbewusste Frau.“

Mit gerade mal 15 Jahren wurde sie in einer arrangierten Ehe mit dem dänischen König Christian VII. verheiratet. Christian galt als psychisch labil und sein Zustand verschlechterte sich bis zur Unzurechnungsfähigkeit. Es sei jedoch schwierig, aus heutiger Sicht Diagnosen zu stellen, sagt Krieger. „Wir wissen, er war teilweise sehr extrovertiert und ist nachts durch Kopenhagen gezogen, mit Prostituierten.“

Der Reformer Struensee war nicht nur Liebhaber der Königin. Er hatte einen großen Einfluss auf den jungen Herrscher, wohl auch weil er ohne Vorbehalte auf diesen zuging, so schätzt es die Historikerin und Museumsleiterin Schmieglitz-Otten ein. „Er hat den König nicht als Verrückten gesehen, sondern als einen Menschen, der in Zwänge gepresst ist.“ In Kopenhagen entstand eine „Ménage-à-trois“ zwischen dem Arzt, der Königin und dem offiziellen Herrscher. Struensee regierte zeitweise de facto den Staat und setzte noch vor der Französischen Revolution Veränderungen im Geiste der Aufklärung um.

Doch damit brachte er vor allem den Adel gegen sich auf. Nach Bekanntwerden der Affäre und einer Palastrevolte wurde er im April 1772 hingerichtet. Caroline Mathilde musste das Land verlassen und kam nach Celle.

Struensees Sturz ging eine Flugblattkampagne voran, an deren Beispiel die Ausstellungsmacherinnen auch Parallelen zu „Fake News“ heutiger Tage ziehen. Kupferstiche verunglimpften ihn als Umstürzler. Caroline Mathilde war ebenfalls Opfer von Häme und Spott, etwa in Druckschriften, die sie im Herrensitz reitend zeigten. „Auch später waren es oft andere, die über sie urteilten“, sagt Michelle Bappert. „Die einen stellten sie als Ehebrecherin dar, andere als unschuldige, von Struensee verführte Frau.“

In Deutschland wurde Caroline Mathilde allerdings standesgemäß als Königliche Hoheit begrüßt, wie es Historiker Krieger schildert. „Sie wurde aus Dänemark mit einem Schiff zunächst nach Stade gebracht und mit großen Ehren empfangen.“ Ihr Bruder Georg veranlasste, dass sie nach Celle kam. Bis 1705 war das Celler Schloss herrschaftliche Residenz des Welfenhauses gewesen. Mit der Dänenkönigin gab es wieder einen Aufschwung, sie belebte auch das kulturelle Leben – unter anderem wurde das Schlosstheater für sie neu gestaltet.

Briefe der Königin aus der Zeit in Celle zeugen davon, wie sehr sie ihre Kinder vermisste, die sie im Alter von vier und nicht einmal einem Jahr zurücklassen musste. Auch von dem Sohn und späteren König Friedrich und seiner Schwester Louise Augusta hängen im Residenzschloss Porträts. Während er darauf die schmalen Züge Christians VII. hat, sieht Louise Augusta Struensee auffällig ähnlich, dem die Vaterschaft nachgesagt wird.

„Ich habe den Trost, dieses Land zu verlassen, in dem Wissen, dass es meinen Kindern gut geht“, schreibt die Königin im Mai 1772 an ihren Bruder: „Ich halte es nicht für unmöglich, dass ich sie eines Tages wiedersehen werde.“ Doch dazu kam es nicht. Nicht einmal drei Jahre nach ihrer Ankunft in Celle starb sie, vermutlich an Scharlach. Wohl um eine Ausbreitung zu vermeiden, wurde sie schnell in einem Bleisarg in der Gruft der Celle Stadtkirche bestattet. Das hat Gerüchte genährt, sie sei von dänischer Seite vergiftet worden, sagt Schmieglitz-Otten. Doch Belege dafür gebe es nicht.

Im Ränkespiel um den dänischen Thron spielte Caroline Mathilde von Celle aus durchaus noch eine Rolle. Bekannt ist, dass sie eine intensive Korrespondenz führte, sagt Martin Krieger, der bei Recherchen im Landesarchiv von Schleswig auf Portorechnungen der Königin stieß. Zumindest im Hintergrund hätten wohl manche von Struensees alten Verbündeten gehofft, sie könnte zur Keimzelle einer Revolution werden.