Im Heimatland von Papst Franziskus ist die Lage extrem angespannt. Der neue Präsident Milei zieht seinen radikalen Reformkurs durch. Die Bischöfe rufen zu Mäßigung auf und stellen sich auf die Seite der Armen.
In der aktuellen Wirtschaftskrise in Argentinien wird die katholische Kirche zunehmend zum Kummerkasten: Wenige Tage nachdem der neue radikal-marktliberale Präsident Javier Milei die Schließung der defizitären staatlichen Nachrichtenagentur Telam ankündigte, bekam Argentiniens Bischofskonferenz Besuch von einer Delegation der Betroffenen. Agustin Lecchi, Generalsekretär der Pressegewerkschaft von Buenos Aires (Sipreba), und Telam-Funktionärin Carla Gaudenzi schilderten in Gesprächen mit dem Episkopatsvorsitzenden, Bischof Oscar Ojea, und dem kirchlichen Medienchef Maximo Jurcinovic die Sorgen der rund 800 von Entlassung bedrohten Personen.
Die drohende Schließung gehört zum Reformpaket, mit dem Milei das südamerikanische Land sanieren will, das in einer tiefen Wirtschaftskrise mit Massenarmut und hoher Inflation steckt. Im Wahlkampf kündigte der libertäre Politiker mit einem oft rustikal-aggressiven Ton und einer symbolischen Kettensäge an, wie er das Land umbauen will: mehr Marktwirtschaft, weniger Staat und nur noch die notwendigsten staatlichen Institutionen. “Alles, was in private Hand gelegt werden kann, wird in private Hand gelegt”, so Milei.
Auch nach Amtsübernahme Mitte Dezember setzte Milei seine bisweilen rüden Töne fort – trotz einer Bitte um Mäßigung von Papst Franziskus bei einem persönlichen Treffen der beiden, wie Kreise aus dem Vatikan berichteten. Auch unterstrich der Papst noch einmal seine besondere Wertschätzung für die Eckpfeiler eines funktionierenden Staates.
Nun meldet sich auch Argentiniens Bischofskonferenz in der Angelegenheit zu Wort. “Unser Volk ist vergiftet von Aggression, Gewalt, Beleidigungen und Disqualifikationen”, sagte vor wenigen Tagen der Vorsitzende, Bischof Ojea, und rief zu einem Ende der Polarisierung auf. Zugleich stellte die Kirche klar, wo sie ihre Aufgabe sieht: “In einigen Armenspeisungen im Großraum Buenos Aires, wo früher 50 Personen waren, sind es jetzt mehr als 100″, sagte Ojea dem Portal Infobae. In dieser dramatischen Situation werde sich die Kirche dafür einsetzen, dass alle Menschen essen können.
Kritik übt der Bischof daran, dass Teile der Sozialarbeit durch die Umstrukturierungsmaßnahmen der Regierung von staatlichen Geldern abgetrennt worden sei. Um Brot in alle Stadtteile zu bringen, dürfe man die bestehenden Gruppen, die bereits Hilfe leisteten, nicht aufgeben: “Alles, was der Aufgabe zuwiderläuft, dass grundlegende Güter wie Lebensmittel unsere Menschen erreichen, ist nicht gut.” Wenn ein Veränderungsprozess gewünscht werde, dann müsse er auf eine andere Art und Weise erfolgen – ohne dass die Sozialbewegungen von der staatlichen Hilfe abgeschnitten würden, so Ojea.
Das Milei-Lager wirft den Sozialbewegungen eine zu enge politische Verbindung mit dem lange regierenden überwiegend linksgerichteten Peronismus vor. Zudem gibt es Vorwürfe aus dem konservativen Lager, dass mit staatlichen Hilfsgeldern für die Sozialbewegungen Geschäfte und Politik gemacht worden sei. Die Vertreter der Sozialbewegungen weisen das vehement zurück.