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Kirche wieder anders

Am 5. Februar feiern deutschlandweit Christinnen und Christen den Kirchentagssonntag. Auch in unserer Region beteiligen sich Gemeinden, um sich auf den Deutschen Evangelischen Kirchentag in Nürnberg im Juni einzustimmen. Was sie dafür planen und wie sich Initiativen, Kirchengemeinden und Teilnehmende aktuell auf den Kirchentag vorbereiten

Von?Constance Bürger

Berlin. Für Helen Karzek ist es selbstverständlich, dass sie für ihre Kirchengemeinde zum Kirchentagssonntag am 5. Februar den ­Gottesdienst mit vorbereitet. Seit Kindheitstagen ist die 61-Jährige Kirchentagsfan. Der Gottesdienst zum ­Thema „umgekehrt“ in der ­­Paul-Schneider-Kirche in Berlin-Lankwitz orientiert sich am ­Gottesdienstentwurf des Deutschen Evange­lischen Kirchen­tages (DEKT) für den Kirchentagssonntag – und der ist originell. 

Alle Besucher*innen dürfen ­offiziell ihr Smartphone aus der ­Tasche holen, um die Foto-App zu nutzen. Im­­ ­Selfiemodus sollen sie sich selbst betrachten. Dann soll die Kamera umgedreht werden, um die Menschen vor, hinter und neben sich zu ­betrachten: „Lasst uns ­einander ­sehen“, heißt es im ­Gottesdienstentwurf.  

Segen mit Konfetti

Ein ungewöhnliches Format – ­„Kirchentag ist eben anders“, sagt Helen Karzek. Auch für den Segen wählt das Materialheft zum Gottesdienstentwurf eine Über­raschung. „Wir werfen Konfetti nach oben. Das ist der Segen, der auf uns runter regnet“, sagt die Prädikantin. Sie hofft, dass viele der Besucher*­innen des Gottesdienstes Lust ­bekommen, vom 7. bis 11. Juni nach Nürnberg zu fahren.

Für sie ist der Kirchentag eine Art Fort­bildung. „Jedes Mal entdecke ich dort neue Formate, die ich gerne mit in unsere Gemeinde nehme“, sagt sie. „Denn Kirche muss sich ­immer wieder entwickeln.“ Für Nürnberg hat sich die Physio­therapeutin schon angemeldet. Sie freut sich, endlich wieder mit dem Caravan zu campen. Beim ­letzten Kirchentag 2021 in Frankfurt/Main war das corona­bedingt nicht möglich. Auf dem Campingplatz genießt Karzek schon morgens das Mit­einander. 

Deutschlandweit laden am 5. Februar unter dem Motto „um­gekehrt“ Kirchengemeinden zum Gottesdienst am Kirchentagssonntag ein. Er­ ­findet alljährlich am ­liturgischen Sonntag ­Septuagesimä statt und soll neugierig ­machen auf Losung und Miteinander des ­Kirchentages. Das ist auch Ziel des Landesausschusses Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz des DEKT, die Jugendarbeit der Landeskirche und des Diözesan­rates der Katholik*innen: Sie laden am 5. Februar zu einem ökumenischen ­Kirchentagssonntagsgottesdienst in die Gethsemanekirche in Berlin-Prenzlauer Berg ein. Die Besucher*-innen werden einen Teil des Jugenprojektes der Evange­lischen Jugend Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EJBO) für Nürnberg ­kennenlernen. 

Katalysator für die Jugendarbeit

Ihre Projekte haben auf Kirchen­tagen eine gewisse Tradition – und Prominenz: In der Gerüst­kirche, ­einer offenen Stahlkonstruktion mit acht Meter hohem Turm, ­feierten die Jugendlichen ­ihren Glauben 2017 in Berlin. In Dortmund 2019 beteiligten sie sich im Zentrum Jugend mit einer beeindruckenden Kirchenkonstruktion aus 27 Containern. „Von den Jugend­lichen gab es wieder ein breites ­Votum, sich erneut einzubringen“, sagt Tobias Kummetat. 

Er ist Referent für kulturelle ­Jugendbildung im Amt für kirch­liche Dienste in Berlin und gehört zur Steuerungsgruppe Kirchentag der EJBO. ­Gemeinsam mit Landes­jugendpfarrerin Julia Daser ­koor­diniert er das Programm des Projektes. 

Unter dem Titel „Zeit_Räume“ wird es in Nürnberg – analog zur ­Kirchentagslosung „Jetzt ist die Zeit“ (Markus 1,15) – um das Thema Zeit gehen. Ohne Container geht es auch dieses Mal nicht: Im Zentrum Jugend werden 4 Seecontainer so aufgestellt, als wären sie eine Uhr. In den Containern sowie dazwischen wird es Workshops, Theaterper­formances und auch wieder den ­beliebten ­DJ-­Segen am Abend geben. 

Sechs Kirchenkreise bereiten das Programm mit ihren Jugendlichen vor, etwa 110 von ihnen werden vor Ort mit­wirken. „Es ist toll, dass sich wieder so viele Kirchenkreise beteiligen“, sagt Kummetat. Dies sei ein Katalysator für die weitere ­Jugendarbeit in der Landeskirche. 

Mitfinanziert wird das Jugend­­-projekt vom Landesausschuss ­Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz des DEKT. Er ist hier ­Ansprechpartner und Anlaufstelle für alle Kirchentagsinteressierten und hält den Kontakt zwischen der DEKT-Leitstelle in Fulda und unserer Region. Sein Vorsitzender, der Berliner Andreas Günther, hat in den vergangenen Monaten schon drei Mal Nürnberg besucht, unter anderem um die Veranstaltungs­orte zu ­besichtigen. „Die freuen sich auf uns, dort gibt es eine positive Grundstimmung“, sagt Günther, der auch zur Präsidialversammlung des DEKT gehört. 

Für die Tage im Juni hofft der ­­Kita-Leiter, „dass da auch mal wieder eine echte Zeitansage ­möglich ist“. Als Mitglied in der DEKT-­Auswahlkommission für den ­Bereich Kabarett ist Günther auch mit­verantwortlich für das ­Kultur-programm. Darauf freuen sich schon jetzt Klaus Feldtkeller aus Nuthethal südlich von Berlin und seine Bekannte Sabine Behrendt aus Berlin. Seit 2003 nehmen sie ­gemeinsam am Kirchentag teil – für Sabine ­Behrendt, die eine mehrfache Behinderung hat, wäre das sonst nicht möglich. 

Im Rollstuhl in der ersten Reihe

Während des Kirchentages ­werden die beiden wie immer in ­einer ­Sammelunterkunft mit anderen Rollstuhlfahrer*innen übernachten – zumeist sind das Schulen für ­körperbehinderte Menschen. ­Jeder Einzelne erhält ein eigenes Klassen­zimmer. Der Kirchentag organisiert ein ­Pflegebett. „Es wird einiges in ­Bewegung gesetzt, damit Rollstuhlfahrer, die auf Hilfe angewiesen sind, teilnehmen können“, sagt Klaus Feldtkeller. Der Kirchentag sei für Sabine Behrendt die einzige Möglichkeit, an einer so vielfältigen Großveranstaltung teilzunehmen – und das zumeist in der ersten Reihe. 

Einmal monatlich besucht er ­Sabine Behrendt. Bald können sie gemeinsam das Kirchentags­programm studieren – am 16. März soll es veröffentlicht werden. Neben Musicals, Konzerten und Theatervorstellungen besuchen sie regelmäßig den Markt der Möglich­keiten. Dort präsentieren sich ­verschiedene kirchliche und diakonische ­Initiativen und Projekte. 

Informieren und vernetzen

Vielleicht treffen die beiden dort auf Juliane Peschel-­Paetzold. Sie ist Koordinatorin für kirchliche Nachhaltigkeitsarbeit in der Kommunalen Ökumene ­Treptow-Köpenick aus Berlin. Sie wird für die Initiative auf einem ­Gemeinschaftsstand ­dabei sein, den sie ­derzeit mit vier Vertreter*innen des Ökumenischen Netzwerkes für Klimagerechtigkeit und den „Christen für eine gerechte Wirtschaftsförderung“ vorbereitet. Auf dem Stand werden sie ökumenisch für Klimagerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Klimawandel werben. 

Auf dem Markt der Möglich­keiten könne man „ungezwungen mit Menschen ins Gespräch ­kommen“, so Peschel-Paetzold. Die Atmosphäre sei offen und zugewandt. So ergebe sich die Chance, ihr Projekt vorzustellen und neue Kontakte zu knüpfen. Die Kommunale Ökumene Treptow-Köpenick  vernetzt 27 christliche Gemeinschaften in dem Berliner Bezirk mit der Kommune und der Zivilgesellschaft, um Klimagerechtigkeit voranzubringen. Treptow-Köpenick ist der erste Bezirk mit einer Nachhaltigkeitsstrategie in Berlin.

Coronabedingt ist der Kirchentag in Nürnberg der erste evange­lische für Peschel-Paetzold, den sie als Mitarbeiterin der Kommunalen Ökumene miterleben wird. Privat hat sie schon als Konfirmandin ­Kirchentage besucht. „Ich habe sie immer als sehr große Bereicherung und als Impulse für meine Arbeit und Leben als Christin gesehen“, sagt sie.  „Auf dem Kirchentag hat sich Kirche für mich auch oftmals ganz anders dargestellt, viel lebendiger als im Alltag.“

Gottesdienste zum Kirchentagssonntag am 5. Februar

10 Uhr, Dom St. Marien, Fürstenwalde 

10 Uhr, Dorfkirche Friedrichsfelde, Berlin-Lichtenberg

11 Uhr, Melanchthon-Kirche, Berlin-Kreuzberg

11 Uhr, Paul-Schneider-Kirche, Berlin-Lankwitz (Familiengottesdienst)

17 Uhr, Gethsemanekirche, Berlin-Prenzlauer Berg (ökumenisch)