Gerade ist Open-Air-Zeit für Kultur. In Bonn startet das besucherstärkste Stummfilmfestival in Europa, so die Veranstalter. Es ist nicht das einzige für das Genre.
Umsonst und draußen: Im Sommer verlagern sich zahlreiche Freizeitangebote ins Freie, so dass man bei hoffentlich gutem Wetter Konzerte auf der Wiese oder Filme auf einer Leinwand im Freibad erleben kann. All das ist draußen – und manchmal umsonst. So können auch Menschen mit schmalem Geldbeutel, die sich mitunter keinen Urlaub leisten können, Kultur daheim genießen. Zum Beispiel Stummfilme. In Bonn starten die Internationalen Stummfilmtage an diesem Donnerstag – laut Veranstalter ist es das besucherstärkste Stummfilmfestival in Europa mit jährlich etwa 15.000 Zuschauerinnen und Zuschauern.
Bei freiem Eintritt und Live-Musik-Begleitung laufen die Filme bis zum 18. August zu später Stunde im offenen Arkadenhof der Universität – Spenden sind erwünscht. Angekündigt für die nächsten Tage werden “neurestaurierte Klassiker, Wiederentdeckungen, exotische Raritäten”. In diesem Jahr feiert die Reihe des Bonner Sommerkinos ihren 40. Geburtstag. Wer an einem Spieltag keinen Platz mehr in den Stuhlreihen findet oder keine Zeit hat, kann zuhause die Filme im Stream mit eingespielter Musikbegleitung schauen, wie es heißt.
“Unser Ziel war es von Anfang an, mit den Stummfilmtagen ein möglichst niedrigschwelliges Kulturangebot zu schaffen. Deshalb ist es uns weiterhin sehr wichtig, ein Festival mit freiem Eintritt und publikumsorientierter Organisation anzubieten”, heißt es vom Veranstalter, dem Förderverein Filmkultur Bonn. Um das Festival zu erhalten, sei der Verein auch auf Spenden angewiesen. Warum so viele Menschen kommen? “Die Sommernachts-Atmosphäre im von Live-Musik erfüllten Arkadenhof ist absolut einzigartig. Die Sinneseindrücke der Filme, der verschiedenen Instrumente und des abendlichen Sternenhimmels kreieren ein ganz besonderes Erlebnis.”
Bonn ist nicht der einzige deutsche Standort eines Stummfilmfestivals in den Sommermonaten. Kurz nach Beginn der Reihe am Rhein startet zum Beispiel am Dienstag die 42. Regensburger Stummfilmwoche, die ebenfalls bis zum 18. August dauert. Dort folgt man nach Veranstalterangaben einer Tradition: in der Ferienzeit ein Programm zu zeigen, “in dem bekannte Meisterwerke des frühen Kinos mit unbekannten Perlen und Live-Musik kombiniert sind”, wie es auf der Internetseite heißt. Draußen also auch hier – aber nicht umsonst, denn für diese Filmvorführungen fällt Eintrittsgeld an.
In Berlin ist es umgekehrt: Der Stummfilmgenuss ist zwar gratis, aber nicht im Freien. Denn dieses Genre pflegt von jeher das Berliner Kino “Babylon” und ist entsprechend ausgestattet: In dem Lichtspielhaus steht nach Kinoangaben die einzige in Deutschland am originalen Standort erhaltene Kinoorgel. “Die Orgel ist unser Markenzeichen”, sagt Geschäftsführer Timothy Grossman. Im “Babylon” läuft vom 5. bis zum 15. September das Stummfilm-Live-Festival mit 20 Beiträgen. Für das Festival werden Stummfilmmusiker wie Neil Brand, Stephen Horne und Ekkehard Wölk erwartet und Filme von 1924, also von vor 100 Jahren, gezeigt, wie Grossman ankündigt.
Trotz hoher Energiepreise habe er am freien Eintritt festgehalten, so Grossman. Eine Förderung bekomme er nicht, die Ausgaben kämen aus dem laufenden Haushalt. 2023 seien rund 6.000 Besucherinnen und Besucher zu dem Festival gekommen. Warum der Stummfilm mit Musik die Leinwand braucht? “Man kann einen Stummfilm nicht auf dem Laptop schauen.” Live eröffnet wird das Berliner Festival den Angaben zufolge mit Friedrich Wilhelm Murnaus “Der letzte Mann”. In Bonn machen am 8. August den Auftakt laut Programm “Ballet mecanique” (Frankreich) und “Ehret eure Frauen” (Dänemark).