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Kerzen bei den Reformierten

Die reformierte Kirche in Alt-Wetter ist an zwei Sonntagen im Monat geöffnet. Ehrenamtliche bieten Führungen und Gespräche an und haben sogar einen Lichterbaum durchgesetzt

„Willkommen in unserer schlichten Kirche“, sagt Hans-Peter Romberg (79). „Hier finden Sie keinen Mittelgang und keine Bilder, denn dies ist eine reformierte Kirche.“ Und nach einer kleinen Pause verrät er aber dann: „Das stimmt bei uns nicht ganz … In der Kuppel über dem Altar sieht man auf dem Schlussstein ein Antlitz von Christus.“
Die kleine Kirche in Alt-Wetter, oberhalb des Harkortsees, ist 1894 auf den Fundamenten der alten Burgkapelle aus dem Jahr 1250 gebaut worden. Und der Schlussstein und das Katharinenrad in der Sakristei erinnern an den Vorgänger, der für die Mannen der Burg Wetter errichtet wurde. Schon 1657 wurde die Burgkapelle reformiert. „21 Klingenschmiede aus Solingen wurden hier vom Großen Kurfürsten angesiedelt und ihnen die Kapelle als Kirche zugesprochen“, erzählt seine Frau Marianne (77).

Spannende Gespräche mit Katholiken

Das Ehepaar hält die Kirche mit weiteren fünf Ehrenamtlichen in den Sommermonaten an zwei Sonntagen im Monat für Besucher offen. „Der Ruhrtal-Radweg führt hier vorbei und es kommen viele vom See hier herauf, um die Kirche anzuschauen“, erzählt Marianne Romberg. Auch aus den Nachbarstädten kommen Besucher. „Wetteraner sind eher selten, und mit Katholiken oder Agnostikern führen wir die spannendsten Gespräche“, sagt sie.
Seit April 2011 gehört die Reformierte Kirche zu den Offenen Kirchen. Angefangen hat alles mit Karin Fricke, die als Gemeindesekretärin und Presbyterin beim Amt für Missionarische Dienste eine Fortbildung für die Schaukastengestaltung mitmachte. Dort erfuhr sie, dass Offene Kirchen nicht zwangsläufig an jedem Tag geöffnet haben müssen. „Da war die Idee geboren“, erzählt sie. Sie fand einige Mitstreiterinnen und Mitstreiter und legte los. Die Gruppe nahm dann auch noch an einer entsprechenden Fortbildung bei Pfarrer Andreas Isenburg teil. „Wir waren die kleinste Kirche und stellten die meisten Teilnehmer im Kurs. Da waren wir schon ein bisschen stolz“, erinnert sie sich lachend. Karin Fricke ist übrigens nicht mehr dabei – aus privaten Gründen. Aber sie ist immer noch stolz auf diese Einrichtung.
Ein paar Dinge in der Kirche wurden für die Bedürfnisse der Besucher angepasst: So steht während der Öffnungszeiten ein eigens angefertigter Kerzenständer im Chorraum, an dem Besucherinnen und Besucher Kerzen entzünden können. Zudem liegt ein Fürbittenbuch für Gebetsanliegen aus. „Bei den Gottesdiensten werden diese Utensilien weggeräumt, da sie nicht zum reformierten Selbstverständnis unserer Gemeinde gehören“, sagt Karin Fricke und man merkt ihr an, dass sie das schade findet: „Vielleicht würde auch ein Gemeindemitglied gerne mal eine Fürbitte notieren oder eine Kerze anzünden.“ In Norddeutschland, wo es ja wesentlich mehr reformierte Kirchen gibt, seien Fürbittenbuch und Kerzen gang und gäbe.
Hans-Martin Bergerhoff experimentiert derzeit mit geistlicher Hintergrundmusik über die Lautsprecheranlage. „Diese Kirche hat eine tolle Akustik“, sagt er. Die Musik ist gut angekommen, und so überlegt das Team, einen Rekorder und CDs fest anzuschaffen.

Kaum jemand setzt sich in die Bänke

Wann immer ein Besucher die Kirche betritt, wird er von den Ehrenamtlichen freundlich begrüßt. „Ansonsten halten wir uns im Hintergrund, bieten aber an, etwas zu der Kirche zu erzählen“, sagt Hans-Peter Romberg. Es gibt auch Informationsmaterial über die Kirche und die Grabsteinplatten an den Außenseiten des Gotteshauses. Doch was die Ehrenamtlichen beobachtet haben: Wenige Besucher gehen bis zum Chorraum und nur wenige setzen sich in die Bänke. „Vielleicht liegt es am fehlenden Mittelgang“, vermutet Marianne Romberg. Viele Menschen würden auch den Unterschied von lutherisch und reformiert nicht kennen.
An diesem Sonntag kommen viele Besucher. Kurz bevor die Ehrenamtlichen die Kirche schließen, tritt noch ein Vater mit seinen beiden Kindern ein. „Ich wollte ihnen mal zeigen, wo ihr Uropa gearbeitet hat“, sagt Matthias Küstermann, der Enkel des langjährigen Pfarrers Reinhard Gädeke. „Wir gehen hier öfter in die Eisdiele, aber die Kirche ist ja meistens geschlossen. Jetzt stand die Tür auf und wir haben die Gelegenheit genutzt.“
Die ehrenamtlichen Helfer und er kommen schnell ins Anekdoten-Erzählen. „Gibt es irgendwo noch ein Bild von meinem Großvater?“, fragt Küstermann. Hans-Peter Romberg bringt eines – aus der Sakristei, da können ruhig Bilder hängen. Larissa und Joey schauen sich alles genau an, gehen auf die Empore. Das Fazit der Drei: „Gut, dass die Kirche offen war.“

Evangelisch-reformierte Kirche in der Freiheit Wetter, Im Kirchspiel 4, 58300 Wetter (Ruhr). Die Kirche ist in den Sommermonaten jeweils am 1. und 3. Sonntag im Monat zwischen 11 und 15 Uhr geöffnet.