Erbrochenes erneut essen müssen, Schläge, Missbrauch – Heimkinder haben nach dem Krieg in Deutschland Furchtbares erlebt. Zwei von ihnen kommen jetzt in einem Film zu Wort. Angehende Erzieherinnen sollen daraus lernen.
Erinnern und vorbeugen – diesen zwei Zielen soll eine Filmproduktion dienen, in der zwei ehemalige Heimkinder von ihrer leidvollen Lebensgeschichte erzählen. Die Auftragsproduktion für den Landesverband katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen in Bayern (LVkE) wird auf dessen Mitgliederversammlung am Mittwoch in München vorgestellt. Anschließend soll die etwa halbstündige Dokumentation in der Ausbildung pädagogischer Berufe eingesetzt werden. Außerdem wird der Film auf der Internetseite des Verbands veröffentlicht.
“Ich wollte leben, aber ich wusste nicht, wie …”, heißt der Titel, eine Produktion von Isolde Hilt und Daniel Klare. Die Hauptpersonen Brigitte Molnar (72) und Peter-Alfred Blickle (65) berichten von ihren Gewalterfahrungen als junge Menschen: vom Zwang, Erbrochenes noch einmal essen zu müssen, von Isolation und sexuellem Missbrauch.
Dabei schildern sie auch, welche Folgen diese Erfahrungen für ihren weiteren Lebensweg hatten. Wie ihnen dadurch zum Beispiel ein tiefsitzendes Gefühl vermittelt wurde, keinen Wert in der Gesellschaft zu haben, ein Niemand zu sein. Beide waren kurz nach ihrer Geburt für mehrere Jahre im Kinderheim gelandet.
Molnar und Blickle haben schon an der Aufarbeitung der Heimkinderziehung während der Nachkriegszeit an einem Runden Tisch in Bayern mitgewirkt. Der Prozess ist seit Ende 2018 offiziell abgeschlossen. Dabei hatten sich über einen Zeitraum von sieben Jahren mehr als 3.000 ehemalige Heimkinder bei eigens geschaffenen Anlaufstellen gemeldet. 34,5 Millionen Euro wurden an die Betroffenen in Anerkennung ihres Leids ausgezahlt.
Nur noch in Einzelfällen komme es bis heute zu Nachverhandlungen, sagte der LVkE-Vorsitzende Michael Eibl der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Mit den Betroffenen in Kontakt zu sein, bleibe aber eine Aufgabe. Außerdem gehe es jetzt darum, nach vorn zu schauen und die nachwachsende Generation an Erzieherinnen und Erziehern für das Thema Gewaltvorbeugung und Kinderschutz zu sensibilisieren.
Eibl fügte hinzu, den beiden Protagonisten des Films gebühre höchster Respekt, dass sie “so offen und vertrauensvoll ihre Geschichte teilen”. Jeder Lebenslauf sei einzigartig. Sie gäben aber Einblicke in eine Zeit, die für viele weitere Heimkinder ähnlich dunkel und trostlos gewesen sei. Der Film wolle “Teil einer nachhaltigen Erinnerungskultur werden”.
Der LVkE versammelt nach eigenen Angaben bayernweit 156 Einrichtungen, darunter Kinderheime, Waisenhäuser, Heilpädagogische Tagesstätten und Familienberatungsstellen.