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Katholische Laiengemeinschaft Sant’Egidio trifft sich in Berlin

Vor dem Friedenstreffen der katholischen Laiengemeinschaft Sant’Egidio in Berlin ruft deren Generalsekretär Cesare Zucconi dazu auf, vor den vielen derzeitigen Krisen nicht zu resignieren.

Ex-Bundesaußenminister Heiko Maas, SPD, trifft Cesare Zucconi, Generalsekretär von Sant Egidio (li.), im Rahmen seiner Reise in die Italienische Republik am 11.05.2021 (Archivbild)
Ex-Bundesaußenminister Heiko Maas, SPD, trifft Cesare Zucconi, Generalsekretär von Sant Egidio (li.), im Rahmen seiner Reise in die Italienische Republik am 11.05.2021 (Archivbild)Imago / photothek

Vor dem Friedenstreffen der katholischen Laiengemeinschaft Sant’Egidio in Berlin ruft deren Generalsekretär Cesare Zucconi dazu auf, vor den vielen derzeitigen Krisen nicht zu resignieren. „Wir leben in einer Zeit, die so stark vom Krieg geprägt ist, dass die Versuchung dazu groß ist“, sagte Zucconi im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Viele sähen den Krieg als etwas, das uns immer begleiten werde.

„Wir leben im Nebel des Krieges, wir sehen den Frieden nicht mehr als ein mögliches Szenario für unsere Zukunft“, sagte Zucconi. Gerade deshalb sei das Friedenstreffen, auf dem Vertreter unterschiedlicher Religionen und Kulturen aus aller Welt zusammenkommen, um nach Wegen zum Frieden zu suchen, wichtiger denn je. „Es geht nicht darum, über den interreligiösen Dialog zu sprechen“, konkretisierte Zucconi die Intention des Friedenstreffens, sondern darum, gemeinsam nach Antworten zu suchen.

37. internationales Friedenstreffen in Berlin

Zum 37. Mal findet das von Sant’Egidio organisierte internationale Friedenstreffen statt, in diesem Jahr vom 10. bis zum 12. September in Berlin. „Berlin ist auch die Stadt, in der eine Mauer gefallen ist“, sagte Zucconi dem epd, „und das auf friedliche Weise, ohne Blutvergießen.“ Das Treffen in Berlin bedeute also auch, dass man deutlich sage: Wir müssen mehr wagen.

Präsident der Gemeinschaft Sant'Egidio ist seit 2003 der Italiener Marco Impagliazzo (li.), hier 2017 mit Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel beim internationalen Friedenstreffen der katholischen Laienbewegung Sant Egidio in Münster
Präsident der Gemeinschaft Sant'Egidio ist seit 2003 der Italiener Marco Impagliazzo (li.), hier 2017 mit Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel beim internationalen Friedenstreffen der katholischen Laienbewegung Sant Egidio in MünsterImago / epd

Das Treffen steht unter der Überschrift „Den Frieden wagen. Religionen und Kulturen im Dialog.“ Es soll dem Dialog zwischen hochrangigen Vertretern aus Politik und Religion sowie zwischen Gläubigen und Nichtgläubigen dienen. Nach Aachen (2003), München (2011) und Münster-Osnabrück (2017) wird das Friedenstreffen zum vierten Mal in Deutschland stattfinden.

Bewusstsein für die Herausforderungen schaffen

Auf dem diesjährigen Treffen wird es auch eine Diskussionsrunde über die Klima- und Umweltkrise geben. „Wir werden das sehr konkret thematisieren“, sagte Zucconi. Damit wolle man auch in der religiösen Welt mehr in Bewegung setzen und ein Bewusstsein für die Herausforderungen schaffen. Die Ankündigung von Papst Franziskus, Anfang Oktober eine zweite Version von „Laudato si’“ zu veröffentlichen, begrüßte Zucconi sehr.

Die Bewegung Sant’Egidio entstand 1968 in Rom auf Initiative des Historikers Andrea Riccardi. Sie ist nach eigenen Angaben in mehr als 70 Ländern vor allem in der Friedensarbeit und in Sozialprojekten aktiv und veranstaltet jährliche Weltfriedenstreffen. Die Gemeinschaft hat ihren Sitz in Rom. Der 60-jährige römische Politologe Cesare Zucconi ist seit 2008 Generalsekretär von Sant’Egidio.

Sant’Egidio: Netzwerk von Gemeinschaften in 70 Ländern

Die katholische Laiengemeinschaft Sant’Egidio wurde 1968 unter dem Eindruck der Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) in Rom gegründet. Sie besteht nach eigenen Angaben aus einem Netzwerk von Gemeinschaften in 70 Ländern, denen etwa 60.000 Mitglieder angehören. Grundpfeiler der Gemeinschaft sind gemeinsames Gebet, der Einsatz für Arme sowie die Friedensarbeit.

Seit dem 1986 auf Anregung von Papst Johannes Paul II. (1920-2005) in Assisi einberufenen interreligiösen Friedensgebet lädt die Gemeinschaft jedes Jahr an einem anderen Ort internationale Vertreter von Religionen, Politik, Wirtschaft und Kultur zum Weltfriedenstreffen ein. Die Begegnung findet in diesem Jahr von Sonntag bis Dienstag in Berlin statt. Dazu werden auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erwartet.

Bedingungen für die Beilegung von Konflikten verbessern

Mit den Friedenstreffen möchte die Gemeinschaft die Bedingungen für die Beilegung von Konflikten verbessern. Mehrfach vermittelte sie zwischen afrikanischen Konfliktparteien, zuletzt etwa im Südsudan. Der jahrzehntelange Bürgerkrieg in Mosambik wurde 1992 mit einem in Rom unterzeichneten Friedensabkommen beendet, unter maßgeblicher Beteiligung von Sant’Egidio.

Zum täglichen Abendgebet versammelt sich die Gemeinschaft in Rom in der mittelalterlichen Basilika Santa Maria in Trastevere, seitdem die benachbarte Kirche Sant’Egidio neben ihrer Zentrale für die wachsende Teilnehmerzahl zu klein wurde. Der Gründer der Gemeinschaft, Andrea Riccardi, organisierte mit gleichgesinnten Katholiken Ende der 1960er Jahre in den römischen Barackenstädten Unterricht für Vorstadtkinder. Riccardi war zwischen 2011 und 2013 italienischer Minister für internationale Zusammenarbeit. Der Träger des Aachener Karlspreises wurde 2021 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und erhält regelmäßig Papstaudienzen.

Mit ihrem Programm, christliche Nächstenliebe im Alltag zu üben, fand die Gemeinschaft Anerkennung im Vatikan. Sie pflegt auch viele Kontakte zu Regierungspolitikerinnen und -politikern. So besuchte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) während ihrer Amtszeit mehrfach die Gemeinschaft in Rom.

Präsident der Gemeinschaft Sant’Egidio ist seit 2003 der Italiener Marco Impagliazzo. Das Amt wird alle vier Jahre von Vertretern der Gemeinschaften aus den einzelnen Ländern gewählt. Papst Franziskus ernannte Impagliazzo im vergangenen Jahr zum Sachverständigen der vatikanischen Heiligsprechungsbehörde. Der Historiker ist Professor für Zeitgeschichte der römischen Universität „Roma Tre“.