Er läuft und läuft und läuft. Marketing-Experten hätten ihre wahre Freude an Papst Franziskus – meistens. Denn seine Äußerungen brauchen mitunter auch ein starkes Krisenmanagement. Ein Rückblick auf das Papstjahr 2024.
Hier ein zu flickendes Schlagloch, dort ein halb fertiges Gerüst: Nicht nur Rom gleicht derzeit einer Dauerbaustelle, auch die katholische Kirche befindet sich stets “under construction”. Darum arbeitete Papst Franziskus im vergangenen Jahr weiterhin an der Realisierung seiner Vision von Welt und Weltkirche.
Nicht immer stießen dabei Maßnahmen und Äußerungen auf Begeisterung. Das fing schon kurz vor dem Jahreswechsel an. Die Erklärung, die erstmals auch eine katholische Segnung homosexueller Paare erlaubt, ging vielen Kirchenmännern zu weit und sorgte für wochenlange Proteste. Die vatikanische Glaubensbehörde reagierte zunächst mit einer Erklärung und praktischen Hinweisen. Schließlich entband man die sich hartnäckig verweigernden afrikanischen Bischöfe von jedwedem Umsetzungszwang – mit päpstlichem Segen.
Diese Kontroverse sollte nicht die einzige bleiben. Im März sorgte ein Stück Stoff für Wirbel. In einem Interview empfahl Papst Franziskus der Ukraine, Mut zur weißen Fahne zu haben,also zu verhandeln. Franziskus’ Intention, einen Verhandlungsfrieden anzustreben, ging unter in der Empörung über die augenscheinliche Kapitulationsforderung.
Mehr als irritiert zeigte sich im Sommer auch die queere Gemeinschaft von dem Papst, der sonst eher für Offenheit gegenüber nicht-heterosexuellen Menschen bekannt ist. Zu viele “Schwuchteleien” gebe es in Priesterseminaren, soll er bei einem Treffen mit Italiens Bischöfen gesagt haben. Dabei benutzte er den Begriff “frociaggine”, der im Italienischen noch eine wesentlich vulgärere und beleidigendere Bedeutung hat als in der deutschen Übersetzung.
Aus der Vatikan-Pressestelle folgte eine Art Entschuldigung: Der Papst bitte jene um Verzeihung, “die sich von der Verwendung eines Begriffs verletzt fühlen, der von anderen wiedergegeben wurde”. Eine Woche später soll Franziskus den Kraftausdruck erneut genutzt haben. Es wehe ein Hauch von Schwuchteleien im Vatikan, sagte er laut Anwesenden bei einem Treffen mit Priestern in Rom.
Den Kirchenstaat verließ Franziskus 2024 weniger als in den Jahren zuvor. Besonders zu Jahresbeginn schwächelte er aufgrund von Atemwegserkrankungen und beschränkte seine Reisen zunächst auf kurze Abstecher ins italienische Umland. Erstmals besuchte dabei ein Papst die Kunstausstellung Biennale in Venedig. Der Vatikan hatte seine diesjährige Schau, die von über 20.000 Menschen besucht wurde, im örtlichen Frauengefängnis organisiert.
Weitere Städtetrips unternahm Franziskus nach Verona und Triest. Zudem hielt er beim G7-Gipfel im süditalienischen Borgo Egnazia eine Rede zum Thema Künstliche Intelligenz, bevor er im September die längste Reise seiner knapp zwölfjährigen Amtszeit antrat. Ohne ein Zeichen von Gebrechlichkeit besuchte er Indonesien, Papua-Neuguinea, Osttimor und Singapur, legte knapp 33.000 Kilometer an zwölf Tagen zurück.
Nur eine kurze Pause gönnte sich der 87-Jährige, bevor er erneut ins Flugzeug nach Luxemburg stieg. Während des Anschlussbesuchs in Belgien musste sich das Kirchenoberhaupt scharfer Kritik an seiner Institution stellen. Es ging um schleppende Missbrauchsaufarbeitung, das katholische Nein zur Abtreibung sowie um Bild und Rolle der Frau in der Kirche.
Forderung nach mehr Anerkennung und Teilhabe des weiblichen Geschlechts in der Kirche durchzogen auch die letzte Versammlung der Weltsynode im Vatikan. Diesbezüglich endete das päpstliche Reformprojekt mit einem klaren “Vielleicht” zu einem möglichen Weiheamt für Frauen.
Insgesamt schloss der mehrjährige Prozess harmonisch und mit einem Abschlusspapier, das der Papst umgehend approbierte. Die darin enthaltenen Vorschläge zu mehr Mitwirkungsmöglichkeiten aller Katholiken warten nun auf ihre Umsetzung.
Für seine eigene Beerdigung machte Franziskus unterdessen Nägel mit Köpfen und vereinfachte die aufwendigen Rituale. Statt in drei Särgen möchte er sich nur noch in einem beisetzen lassen – und das am liebsten außerhalb der Vatikanmauern. Seine ewige Ruhe plant er in der Basilika Santa Maria Maggiore – das ist mit den neuen Richtlinien möglich.
Für die Wahl von Franziskus’ Nachfolger stehen jetzt mehr Männer zur Verfügung. Anfang Dezember hat der Papst das Kardinalskollegium um 21 Geistliche erweitert, von denen 20 die Altersgrenze von 80 Jahren noch nicht überschritten haben. Insgesamt 140 Kardinäle aus aller Welt würden dann im Todesfall in die Sixtinische Kapelle einziehen und müssten sich auf einen Nachfolger für den Argentinier einigen.
Zunächst aber wartet auf den bald 88-Jährigen (ab 17. Dezember) ein weiteres herausforderndes Jahr. An Heiligabend eröffnet Franziskus das größte katholische Pilgerereignis in Rom. 32 Millionen Besucher werden zum Heiligen Jahr erwartet. Dessen zahlreiche Einzelevents füllen den päpstlichen Terminkalender. Zudem plant Franziskus eine Reise in die Türkei anlässlich des 1.700-Jahr-Jubiläums des Konzils von Nizäa.
Weiterhin werden sich Papst und Vatikan-Diplomaten für eine Lösung von Kriegen wie Konflikten und die davon betroffenen Menschen engagieren. Denn auch der Weltfrieden bleibt eine Dauerbaustelle.