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Kandidatin mit Sendungsbewusstsein

Heidrun Dörken möchte die erste Bischöfin der EKBO werden. Am vergangenen Sonntag stellte sie sich als Kandidatin für die Nachfolge von Markus Dröge in der Berliner St. Marienkirche vor. Die Sendebeauftragte der Evangelischen Kirchen in Hessen für den Hessischen Rundfunk fand auch ohne Radio die richtigen Frequenzen, um die Zuhörenden zu erreichen. Friederike Höhn berichtet über Dörkens Vortrag und was die Kandidatin mit der Tochter des AfD-Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland zu tun hatte.

Pfarrerin Heidrun Dörken möchte erste Bischöfin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz werden. Am vergangenen Sonntag stellte sie sich der Öffentlichkeit mit Gottesdienst und Vortrag vor.

Von Friederike Höhn

Heftige Windböen, schier nimmer endender Regen und tiefe Pfützen auf den Straßen – besser hätte das Berliner Wetter wohl kaum zum Predigttext am vergangenen Sonntag passen könne: die Stillung des Sturmes (Markus 4,35–41). In den Kirchen wurde diese vielgehörte Geschichte gelesen und auf den Kanzeln legten Pfarrerinnen und Pfarrer dar, was uns ihr Inhalt heute sagen kann.Vor dieser Aufgabe stand auch Pfarrerin Heidrun Dörken, die sich im Gottesdienst in der St. Marienkirche in Berlin-Mitte als Kandidatin für das Amt der Bischöfin der Landeskirche präsentierte. Die Senderbeauftragte der Evangelischen Kirchen in Hessen für den Hessischen Rundfunk stellt sich neben Propst Christian Stäblein und Jochen Arnold, Leiter des Michaelisklosters Hildesheim, auf der Landessynode am 5./6. April zur Wahl. Alle Kandidierenden empfehlen sich in diesen Wochen in einem Gottesdienst mit anschließendem Vortag zum Thema „Erkennbar Kirche sein“. Christian Stäblein ist bereits vor zwei Wochen an der Reihe gewesen („die Kirche“, Nr. 5, Seite 3), Jochen Arnold wird die Reihe am 24. Februar, 15 Uhr in St. Marien beschließen.

Klar und verständlich: Gott ist da, habt keine AngstDas durch den Predigttext gegebene Thema – unterstützt durch das Wetter draußen – entfaltete sich im gesamten Gottesdienst: in den Liedern, im Psalmgebet (Psalm 107) und in den Fürbitten. Und natürlich in der Predigt selbst. Klar und verständlich, für manche vielleicht auch etwas schlicht, formulierte Heidrun Dörken die Botschaft: „Hab keine Angst, ich bin da.“ Und zeigte zugleich in fassbaren Bildern, warum es nicht immer so einfach ist, Vertrauen in Gott zu haben. Sie erinnerte die Gemeinde daran: „Wer keinen Sturm erleben will, geht besser nicht so nah an Jesus heran. Christlicher Glaube bedeutet nicht immer ruhiges Fahrwasser. Jesus garantiert keine permanente Sicherheit. Aber: Jesus rettet.“ Und aus diesem Wissen heraus können die Menschen sich selbst und anderen helfen, auch wenn die Stürme des Lebens, die Krisen und Katastrophen, groß sind. Und wenn sie, wie die Jüngerinnen und Jünger auf dem Boot im Sturm, wütend und verzweifelt werden, Gott anklagen und ihm vielleicht auch mal Vorwürfe machen: Er bleibt an ihrer Seite.Prägnant und ohne Umschweife – eine solche Predigt konnte man von Heidrun Dörken erwarten und wurde nicht enttäuscht: Das Wort Gottes verständlich zu machen ist Kennzeichen des Verkündigungsdienstes im Radio und seit mehr als 20 Jahren das Feld, auf dem sich Heidrun Dörken als Pfarrerin bewegt. Eine Frau mit Sendungsbewusstsein.In ihrem Vortrag legte Heidrun Dörken einen deutlichen Schwerpunkt auf die Tatsache, dass Kirche immer kleiner werde. „Wir werden weniger und das tut auch weh“, sagte sie. Ihr liegt daran, herauszufinden, warum Menschen der Kirche den Rücken zuwenden. Ihr Vater, so erzählte die Kandidatin, habe sich viele Jahre als Kirchenvorsteher genau darum gekümmert und Ausgetretene besucht.Trotz aller Verluste: Kirche dürfe sich nicht nur als „Kirche in der Krise erfahren“, sondern es gelte, die Lage zu entdramatisieren. „Wir nehmen die Lage an, sind da, selbstbewusst und fröhlich“, sagte sie. Statt die Vergangenheit zu verklären, müsse Kirche sich heute darüber freuen, dass sich Menschen ihr frei zuwenden können und Kirche als Akteur in einer pluralen, multireligiösen und vielfältigen Gesellschaft auftrete. Im interreligiösen Dialog möchte sie sich für eine Zusammenarbeit mit liberalen Kräften starkmachen.Erkennbar Kirche sein heißt für Heidrun Dörken auch ein klares Bekenntnis zur Demokratie. Ein Erkennungszeichen der evangelischen Kirche sei ihre demokratische Verfasstheit. Zugleich zeige sich der demokratische Anspruch auch in der Ermutigung der Gläubigen zur Wahrnehmung und Übernahme politischer Verantwortung. Kirche sei und müsse erkennbar aktiv in der Gesellschaft sein, ihre Stimme bei ethischen Fragen erheben und die Menschen in sozialen Umbrüchen begleiten, wie es beispielsweise in der Lausitz der Fall ist.Auf die Frage aus den Reihen der Gemeinde, ob sie sich als Bischöfin ähnlich wie Bischof Markus Dröge politisch äußern werde, antwortete sie mit einem klaren Ja. Sie werde sich positionieren und ihre Stimme erheben. Den Kurs von Bischof Dröge, mit Wähler*innen der AfD im Gespräch zu bleiben, der AfD als Partei aber keine Plattform zu bieten, wolle sie fortsetzen. Auf diesem Feld kennt sie sich aus: Vor vielen Jahren konfirmierte sie in Frankfurt/Main die Tochter des heutigen Partei- und Fraktionsvorsitzenden der AfD, Alexander Gauland. Aus der Konfirmandin ist heute eine Pfarrerin geworden, die mit den Ansichten des Vaters wenig am Hut hat und zwischenzeitlich auch Geflüchtete bei sich zu Hause im Pfarrhaus aufgenommen hat.

Sich der Einzelnen zuwendenAls Bischöfin, so kündigte sie an, wolle sie Kirche auch nach innen deutlicher erkennbar machen. Darunter versteht Heidrun Dörken, die Kasualien zu stärken. Es sei ihr eine „Herzensangelegenheit, sie mit Hingebung zu gestalten“. In Beistand und Seelsorge, in den freudigen und traurigen Extremsituationen des Lebens für den oder die Einzelne*n da zu sein – von Geburt und Taufe bis zur Krankenbegleitung und Beerdigung. An diese Momente erinnern sich Menschen ein Leben lang – hier wird Kirche dringend gebraucht.Erkennbar Kirche sein, das zeigt sich für Heidrun Dörken besonders in der Diakonie. Sie erzählt von dem Aufbau der evangelisch-lutherischen Kirche in Georgien, an der ihr Lehrer und Freund Gert Hummel wesentlich beteiligt war und dort Bischof wurde. Die Gemeinde wuchs durch das diakonische Handeln der Kirche: Hier wurde Kirche erkennbar in Schulen, Armenfürsorge und Krankenstationen.’Nach dem Vortrag hatten die Gottesdienstbesucher*innen Gelegenheit, Fragen an die Kandidatin zu stellen. Das Spektrum reichte von Friedensethik und Missionsverständnis über Fehlerkultur, interreligiösen Dialog und Digitalisierung bis hin zu den Beziehungen zu den polnischen Nachbar*innen und wie Kirche auf dem Land erkennbar bleibe – Fragen, die an mancher Stelle dem einen oder der anderen Zuhörer*in vermutlich zu unpräzise beantwortet werden konnten, etwa als es um die kirchliche Aufarbeitung der Folgen des Mauerfalls und der Wiedervereinigung ging.In ihren Ausführungen zeigte Heidrun Dörken, dass sie sich mit der Landeskirche beschäftigt hat. Außerdem ließ sie ihre eigenen Erfahrungen einfließen, auch als Pfarrerin, die auf dem Land gearbeitet hat und die Herausforderung um viele Predigtstätten kennt. Applaus gab es, als sie ankündigte, zu allererst hinaus nach Brandenburg und in die schlesische Oberlausitz zu fahren, um die Bedürfnisse der Menschen vor Ort zu erfahren.Persönlich wurde es, als ein Pfarrer aus Brandenburg sie nach Argumenten fragte, warum man Christ werden solle. Heidrun Dörken fing an zu strahlen: „Das Vertrauen in Gott trägt dich durch alles hindurch und macht dich gelassener, anderen Menschen zu vertrauen“, lautete eine ihrer Antworten. Und zeigte, damit ihr Bild von Kirche und christlichem Leben: als positives, fröhliches Miteinander.

Der Vorstellungsgottesdienst von Heidrun Dörken ist auch online nachzusehen unter www.ekbo.de/bischofswahl