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Kälte-Gel und Kühlwesten: Wie Krankenhäuser unter der Hitze leiden

Beim Bau von Hospitälern wurde die aktuelle Hitze nicht bedacht, Hitzeschutzmaßnahmen sind praktisch schwer umsetzbar. Eine Herausforderung für das Personal. Visite in einem schwitzenden Krankenhaus.

Kurz abkühlen – Eine Londoner Krankenschwester macht Pause
Kurz abkühlen – Eine Londoner Krankenschwester macht PauseImago / i Images

Ein Julitag mit angenehmen 27 Grad und leichtem Wind in Koblenz. Die Station im fünften Stock des Marienhofs empfängt den Besucher mit einem wohltuenden Luftzug; ein Fenster und die Balkontür am anderen Ende des Flures sind geöffnet. Intelligentes Lüften lautet das Konzept, “man muss nur gucken, dass die Luft nicht steht”, erläutert Pflegedienstleiterin Eva Thielmann. Das Innenthermometer auf der Pneumologie zeigt 26 Grad – zu warm, findet Thielmann.

Sorge vor langanhaltender Hitzewelle

Nicht auszudenken, wenn es – wie im letzten Sommer – eine mehrwöchige Hitzewelle gibt und sich das 40 Jahre alte Krankenhaus so richtig aufwärmt. “Da waren wir sicher bei 30 Grad; bei Stahlbeton hat man lange was von der Hitze”, kommentiert die Pflegeexpertin trocken. Als Coronapatienten noch in zusätzlicher Schutzbekleidung versorgt werden mussten, seien ihre Leute “fast kaputt gegangen”, sagt Thielmann. “Da haben wir gezielt über Kühlwesten nachgedacht.” Die sollen nun tetestet werden.

Bei Hitze zu arbeiten sei immer eine große Belastung. Als Pflegedienstleitung trägt Thielmann die Verantwortung für das Wohlergehen von Patienten und ihr Team. Die gesetzliche Arbeitsschutzverordnung und Hitzeschutzmaßnahmen sind aus ihrer Sicht zwar sinnvoll, deren Umsetzung aber de facto oft schlicht nicht möglich. “Ich kann meinen Mitarbeitern und den Patienten nicht einfach frei geben, wenn es zu heiß ist.”

Kühlakku in den Nacken

Die Pflegekräfte versuchen Patientinnen und Patienten ihren Aufenthalt so erträglich wie möglich zu machen – mit dünnen Bettdecken, gekühltem Wasser aus dem Automaten, mit kühlendem Gel zum Einreiben, leichter Kost, Wärmflaschen mit kaltem Wasser, Lüften in den meist kühleren Morgenstunden, abgedunkelten Zimmern. Schließlich soll die Hitze draußen bleiben. Aber wenn ein Patient in seinem zur Sonnenseite gelegenen Zimmer partout das Fenster öffnen möchte, dann sei auch die beste Hitzeschutz-Strategie begrenzt, gibt Thielmann zu bedenken.

Körperliches Arbeiten bei Hitze ist für das Pflegepersonal anstrengend. Manch einer wechselt während einer schweißtreibenden Schicht auch mal öfter seine Kleidung. “Wir sitzen ja hier nicht nur rum, sondern bewegen uns viel”, sagt etwa Gesundheits- und Krankenpflegerin Chantal Krause. Jeder gehe unterschiedlich mit Hitze um. Für Krause liegt die Wohlfühltemperatur beim Arbeiten bei unter
25 Grad, “ab 30 Grad wird es unerträglich”. Wenn es ihr zu heiß wird, legt sie sich auch mal einen Kühlakku in den Nacken.

Not macht eben erfinderisch. “Leute, Ihr könnt doch keinen Kühlakku aus dem Kühlschrank nehmen…”, erinnert sich Pflegedienstleiterin Thielmann an ihren ersten Gedanken, als sie von dieser unkonventionellen Maßnahme hörte. Inzwischen findet sie die cool, und sie denkt inzwischen sogar über personalisierte Kühlakkus für ihr ganzes Team nach. Schließlich werde es in dem Krankenhausgebäude immer wärmer, je höher man kommt. Und so verwundert es sie auch nicht, dass ausgerechnet die Kollegen vom obersten sechsten Stock auf die erfrischende Idee gekommen sind.

Im Polo zur Visite

Warum auch nicht? Thielmann sieht das inzwischen pragmatisch, “wir müssen Bedingungen schaffen, dass man gut arbeiten kann”. Manche Kollegen gingen zum Abkühlen auch mal in den Laborbereich; Mitarbeitende im OP könnten sich das ganze Jahr über gleichbleibende Temperaturen freuen. Und bei großer Hitze lasse mancher Mediziner auch mal seinen Arztkittel im Schrank und komme nur im Poloshirt zur Visite.

Kühlwesten, Kälte-Gel und gekühltes Wasser können kurzfristig gegen hohe Temperaturen helfen. Viel gravierender beim Thema Hitzeschutz im Krankenhaus ist indes das Gebäude selbst. Der Koblenzer Marienhof stammt beispielsweise aus den 1980er Jahren. “Damals dachte noch niemand an Hitzeschutz”, erklärt Martin Fuchs, Sprecher der BBT-Gruppe, zu der auch das katholische Krankenhaus gehört. Sie umfasst über 80 Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens mit mehr als 11.000 Mitarbeitenden in Deutschland.

Langfristige Investitionen in Hitzeschutz

“Die nötigen Hitzeschutzmaßnahmen können baulich auf die Schnelle gar nicht umgesetzt werden”, merkt Fuchs an. Sein Konzern setzt mittel- und langfristig auf eine entsprechende Sanierung bestehender Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. So soll auch der Marienhof demnächst saniert und um einen Anbau erweitert werden. Im Altbau werden dann laut Fuchs unter dem Dach eine Kältedecke eingezogen und die Außenwände isoliert; im neuen Anbau werden auch moderner Hitzeschutz und Kältetechnik mitgedacht – die Außenwände gedämmt, Intensivstation und einige Patientenzimmer klimatisiert. Zugleich gibt Fuchs zu bedenken, dass Investitionen in Hitzeschutz immer auch eine Kostenfrage seien und von Landesmitteln abhingen.

Pflegedienstleiterin Thielmann hofft indes, dass in zehn Jahren Krankenhäuser und Senioreneinrichtungen besser gegen sommerliche Hitzephasen gewappnet sind. “Aber wer weiß, welche Temperaturen wir dann haben werden“, sagt sie. Derweil hilft vielleicht auch der mobile Eiswagen, der mittags vor dem Marienhof steht.