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Jugendfeier-Trend – Zum Erwachsenen werden im Friedrichstadtpalast

Riten beim Übergang von der Jugend zum Erwachsenen gibt es in vielen Kulturen: In manchen indigenen Völkern gehörte das Entfernen eines Schneidezahns dazu. Hierzulande boomen Jugendfeiern in Form großer Events.

Langes Kleid, Stöckelschuhe, Haare frisch vom Friseur, dazu emotionale Musik beim Einzug auf die Bühne, wo der eigene Name verlesen wird und man eine Rose überreicht bekommt: Jugendfeiern erfreuen sich steigender Beliebtheit bei Jugendlichen. Endlich erwachsen – oder doch beinahe: ein Wendepunkt, der gefeiert werden muss – am liebsten im Frühling.

Säkulare Jugendfeiern gibt es schon seit rund 175 Jahren. Ihre Blütezeit hatte das Ritual als “Jugendweihe” in der DDR und ging dann mit einem sozialistischen Bekenntnis einher. “Wir haben aber das Wort ‘Weihe” getilgt – weihen macht die Kirche”, stellt Veranstalter Thomas Fehse, Jugendfeierbeauftragter beim Bundesvorstand des Humanistischen Verbandes, klar. Dieses “symbolische Hand auf den Kopf legen” bei einer Weihe sei für ihn zu sehr “von oben herab” und entspreche nicht dem Ansatz der Feiern des Verbandes: “Uns geht es um Partizipation.” Man versuche, die Feier an Jugendlichen und ihren Themen zu orientieren – “das soll keine Feier für Eltern sein.”

Die Nachfrage steige, erklärt er: In diesem Jahr wollen 10.300 Mädchen und Jungen bundesweit an einer solchen Feier teilnehmen. 2005 waren es 3.500 Jugendliche. Dabei ist das Ost-West-Gefälle groß: 8.300 Anmeldungen gibt es im Jahr 2025 in Berlin und Brandenburg insgesamt, nur 10 Interessenten in Baden-Württemberg.

“Im Westen sind wir besonders da stark, wo die Kirchen schwächeln. Auf dem Land im Süden sind unsere Zahlen zum Beispiel schlechter als im Ruhrgebiet”, sagt Fehse. Zudem gebe es Eltern aus Ostdeutschland, die mittlerweile im Westen leben – und gerne an die Tradition der Jugendweihe anknüpfen möchten.

Rituelle Feiern an der Schwelle zum Erwachsensein dienen nach Einschätzung des Heidelberger Kulturwissenschaftlers Burckhard Dücker der Stärkung des Zusammenhalts. “Wer eine Jugendfeier mitmacht, vor allen Dingen wenn sie in einem größeren Rahmen stattfindet, der kann sich eingepasst fühlen in diese große Gemeinschaft der gleich Denkenden und gleich Handelnden”, sagt er.

“Eine solche Feier gibt dem Jugendlichen ein Gefühl von Sicherheit – er ist nicht einsam. Das ist ein verbreitetes Problem der Jugendlichen heutzutage”, fügt Dücker hinzu. Gleichzeitig exponierten sich die Jugendlichen, um wahrgenommen zu werden und nicht nur bei Gleichaltrigen, sondern in aller Regel auch bei Erwachsenen Anerkennung zu finden.

Das Bedürfnis nach einer Feier – in welcher Form auch immer -, die den Übergang von der Kindheit zum Erwachsenen markiert, ist grundsätzlich bei vielen jungen Menschen da: Das Judentum kennt seit langer Zeit die Bar oder Bat Mizwa als religiöses Initiationsritual von Heranwachsenden. Und auch bei christlichen Jugendlichen ist nach wie vor Interesse da: Mehr als zweihunderttausend Jugendliche ließen sich im Jahr 2023 firmen oder konfirmieren – auch wenn sich die Zahl seit den 1990er Jahren halbiert hat.

In diese Lücke stoßen neue Angebote, auch kirchlicherseits: Dazu zählen die so genannten Lebenswende-Feiern, die der heutige Erfurter Weihbischof Reinhard Hauke 1997 konzipierte. Sie sollen eine Alternative zur Jugendweihe der DDR sein – christlich geprägt und explizit für ungetaufte Jugendliche. Gefeiert wird in kleinen Gruppen, die oft von verschiedenen Schulen kommen und sich erst bei den Vorbereitungstreffen kennenlernen.

Für Dücker sind Jugendweihen und Jugendfeiern “eine politische oder soziokulturelle Reaktion” auf die religiösen Feste. “Das heißt, im Grunde sind diese Jugendweihen und die Jugendfeiern eine Anerkennung von Firmung und Konfirmation.” Die kirchlichen Traditionen seien hier profaniert worden.

Jugendweihen wurden in den Jahrzehnten der DDR durchgeführt, “um die sogenannte sozialistische Persönlichkeit damit auszubilden und zu stabilisieren”, erklärt der Ritualforscher. Bei Jugendfeiern heutzutage stehe dagegen die Selbstbestimmung der Persönlichkeit im Zentrum und “das Fest an sich” mit den Geschenken und allem drumherum.

“Was für eine fantastisch inszenierte Jugendfeier!!! Unsere Erwartungen wurden übertroffen. Pure Begeisterung ab der 1. Sekunde”, schreibt etwa eine Mutter online nach der Jugendfeier im Friedrichstadtpalast vor ein paar Wochen. Eine Äußerung, die der Einschätzung von Experte Dücker entspricht: Bei Jugendfeiern, die mit hunderten von Menschen stattfänden, gehe es eher um “ein Ereignis mit Eventcharakter”, weniger um Nachdenklichkeit. Zudem sei es auch kommerziell: Die “Feiergebühr” für den Jugendlichen kostet im Friedrichstadtpalast laut Veranstalter 99 Euro; hinzu kommt der Kartenpreis von je 12 bis 20 Euro für die Angehörigen.

Fehse erklärt: Natürlich handele es sich bei den Veranstaltungen gerade im Friedrichstadtpalast um Massenevents. “Manchem ist das nicht individuell genug”, sagt er. “Es hat Showcharakter und ist sehr poppig”, gibt er zu. “Aber wir versuchen, moderne Elemente mit tiefen Inhalten zu verbinden. Wir wollen den Kindern möglichst breite Impulse geben, wie man sich ein gutes Leben vorstellen kann.” Klimawandel, Sexismus, Krieg und Frieden – Themen wie diese werden demnach auch bei den Feiern durch Theaterstücke, Songs oder Reden zur Sprache gebracht.

“Wer ein Ritual mitmacht, ordnet sich in eine bestimmte Tradition und in eine bestimmte Geschichte ein”, sagt Forscher Dücker. Ob die Jugendlichen sich darüber klar seien, “dass sie die jeweilige Tradition mit ihrer Teilnahme weiterführen”, könne man nicht allgemein beantworten. Grundsätzlich gebe es aber “kein Ritual, das jemand nur für sich macht, sondern man macht es in der Regel im Namen von etwas.” Er warnt, dass es mittlerweile auch im rechtsextremistischen Milieu entsprechende Versuche gebe, Jugendlichen etwas in dieser Richtung zu bieten (“Neue Kameradschaften”).

Bei Initiationsriten von Jugendlichen gehe es in allen Kulturen darum, dass sie sich durch dieses Ritual verändern und eine andere Person werden, im Idealfall eine andere Identität annehmen sollen, sagt Dücker. Dies gebe es auch in indigenen Ethnien; ab einem bestimmten Alter etwa wurden Jungen durch Rituale legitimiert, die Pflichten und Rechte eines erwachsenen Mannes in ihrem Stamm ausüben zu dürfen. Dazu gehörte der Abschied von den Eltern und der über einen Zeitraum begrenzte Zusammenschluss in einer abgeschlossenen Hütte.

Als Zeichen der neuen Identität als Erwachsener wurden die Jugendlichen dann nach dieser Zeit neu eingekleidet; manchmal wurde ihnen auch ein Schneidezahn entfernt – Dücker: “den haben sie dann sozusagen in ihrer Jugend zurückgelassen.”