Die jesidische Gemeinde in Thüringen ist in Sorge vor einer möglichen Wende der deutschen Asylpolitik gegenüber der Religionsgemeinschaft. Die Abschiebung einer jesidischen Familie aus Brandenburg, obwohl sie mit dem Nordirak aus einer unsicheren und instabilen Region stammt, sei ein Warnsignal, sagte der Vorsitzende der Jesidischen Gemeinschaft Thüringen, Murad Murad, dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Erfurt.
Wenn dies kein Einzelfall bleibe, sondern Teil einer politischen oder verwaltungstechnischen Kursänderung sei, würde das bedeuten, dass die Religionsgemeinschaft – trotz internationaler Anerkennung des Völkermords an den Jesiden – keinen besonderen Schutzstatus mehr in Deutschland genieße. Das wäre ein schwerer Rückschritt in der deutschen Flüchtlingspolitik. In Thüringen leben den Angaben zufolge rund 850 Angehörige der Minderheit.
Murad stellte fest, dass die spezifische Verfolgung und Bedrohung der Jesidinnen und Jesiden im Herkunftsland zunehmend ignoriert werde: „Viele Mitglieder unserer Gemeinschaft leben in ständiger Angst vor Abschiebung, obwohl sie aus einer Region stammen, in der sie als religiöse Minderheit über Generationen hinweg systematisch entrechtet, verfolgt und ermordet wurden – zuletzt durch den Genozid des sogenannten Islamischen Staat im Jahr 2014.“
Murad kritisierte eine fehlende Sensibilität in den Behörden gegenüber dem Umstand, dass viele Jesidinnen und Jesiden schwer traumatisiert seien und bis heute nicht in ihre Herkunftsregionen zurückkehren könnten, weil dort weder Sicherheit noch Infrastruktur für ein menschenwürdiges Leben gewährleistet seien. Deutschlandweit ist laut Murad eine steigende Zahl an Ablehnungen und das Auslaufen von Duldungen ohne konkrete Perspektive für die Betroffenen zu beobachten.
„Auch wenn Thüringen bisher in vielen Bereichen humanitärer agiert hat als andere Bundesländer, nehmen auch hier die Unsicherheiten zu“, sagte er weiter. Einzelne Behörden agierten restriktiver und setzten traumatisierte Personen unter Druck. Es entstehe der Eindruck, dass nicht mehr die individuelle Schutzbedürftigkeit, sondern administrative Vorgaben im Vordergrund stehen. „Diese Entwicklung bereitet uns große Sorgen“, erklärte Murad.
Die Jesiden sind eine ethnisch-religiöse Minderheit mit kurdischen Wurzeln. Sie glauben an einen einzigen, allmächtigen Gott, der als Schöpfer des Universums angesehen wird. Im Mittelpunkt des jesidischen Glaubens steht der Erzengel Melek Taus. Er wird als Stellvertreter Gottes auf Erden verehrt und als Pfau symbolisiert.