„Ich kenn mich in der Küche hier nicht so gut aus. Das merke ich daran, dass ich einen Topf genommen habe, der immer stärker wackelt, je wärmer er wird“, sagt Heinz Sobioch mit einem leichten Kopfschütteln. Doch das hält ihn nicht davon ab, das Wasser für die Eier weiter zu erhitzen. Die Brötchen sind schon in den Backofen gelegt, die Kaffeemaschinen sind befüllt. „Ich muss gleich nur noch auf die Knöpfe drücken, dann ist alles rechtzeitig fertig.“
„Ich verwöhne gerne andere Menschen“
Fünf Tage lang ist Heinz Sobioch in Detmold „Herbergsvater“ auf Zeit. Pilger-Herbergsvater. Dafür hat sich der Industriemechaniker extra Urlaub genommen. „Ich verwöhne gerne Menschen. Das macht mir Spaß“, sagt er, während er die Eier ins Wasser gleiten lässt. Zu viele Eier für den Topf. Das Wasser droht überzuschwappen. Doch da eilt auch schon Übernachtungsgast Christel Kiefer mit einer großen Kelle zur Hilfe und schöpft das Wasser ab. „In einer Pilgerherberge hilft jeder jedem – ganz selbstverständlich und unaufgeregt“, sagt sie.
Pilgerherberge? In Detmold? Ja. Genau. Im Rahmen des Deutschen Wandertages bietet das PilgerNetzwerk der evangelischen Erwachsenenbildung Westfalen und Lippe ein Pilgerzentrum in der Christuskirche. Und die Lippische Landeskirche als Gastgeberin schuf parallel im Haus Sonnenwinkel eine Übernachtungsmöglichkeit für Pilgerinnen und Pilger. Dort kommen auch die Ehrenamtlichen des Netzwerkes unter – alle selbst begeisterte Pilgerinnen und Pilger.
Wie auch Heinz Sobioch. Vor zehn Jahren machte er die Pilgerbegleiterausbildung und ist seither als Tourenführer unterwegs. „Aber natürlich pilgere ich auch selber. Ich liebe es sehr. Die Natur, die Begegnungen sowie die Erfahrungen und Erkenntnisse. Manchmal pilgere ich mit meiner Frau oder mit Freunden.“ Zweimal war er schon auf dem Jakobsweg unterwegs. Aber ebenso mag er auch die heimischen Pilgerwege.
Warum hat er sich für den Herbergsvater-Job entschieden? „Ich liebe die Gemeinschaft in den Herbergen“, sagt der 56-Jährige. Das möchte er in Detmold ebenfalls anbieten. „Herbergen sind wichtig. Sie bieten zunächst einmal Schutz für die Nacht, aber sie sind zusätzlich ein wichtiger Teil des Pilgerns. Der Weg ist für die Begegnung mit Gott, die Herberge für die Begegnung mit den Menschen.“ Er selber habe nach den Erfahrungen beim Pilgern oft das Bedürfnis sich mitzuteilen. „In der Herberge findet man immer jemanden, bei dem die Chemie stimmt und mit dem man reden kann.“
Aber genug geschwatzt. Die Eier sind fertig, die ersten Gäste da. Gerne setzen sie sich an den gedeckten Tisch. Es gibt Brot, Brötchen, Butter, Käse, Wurst, Marmelade und Honig und eben die Frühstückseier. „Was für ein Luxus“, freut sich Waltraud Koske: „Normalerweise bekommt man kein Frühstück, sondern hält nach einem Café oder einem Laden Ausschau.“
Auch die Betten in den Mehrbettzimmern im Haus Sonnenwinkel sind komfortabel. „In Pilgerherbergen gibt es alles – vom Matratzenlager bis zu bequemen Betten“, erzählt Christel Kiefer. In den öffentlichen Herbergen auf dem Jakobsweg finden sich sogar noch dreistöckige Betten. „Und oben ist dann nur noch so viel Platz“, berichtet Christel Kiefer und zeigt mit ihren Händen einen Abstand von weniger als einem Meter. Erfahrene Pilgerinnen und Pilger übernachten also am liebsten immer unten. „Über mir schlief in einer Herberge mal eine junge Frau. Die ist dann irgendwann – sehr früh – aufgestanden und hat sich fertig gemacht. Ich bin wach geworden und habe sie nach dem Grund gefragt. Nicht nur mein Schnarchen hat sie gestört, sondern mein unruhiger Schlaf. Immer wenn ich mich umgedreht habe, hat das ganze Bett geschwankt“, berichtet Heinz Sobioch. Alle am Tisch nicken. Sie kennen diese Erfahrungen zur Genüge.
Es gibt öffentliche und private Herbergen. „Auf dem Jakobsweg sind gerade auf den letzten 100 Kilometern vor Santiago de Compostela die öffentlichen Unterkünfte sehr gefragt, sie kosten fünf Euro die Nacht. Spanier haben mit einem Nachweis über die Pilgerreise bessere Chancen bei Bewerbungen. Deswegen sind auf diesem Stück viele junge Leute zu finden“, weiß Heinz Sobioch. Daher sind die öffentlichen Herbergen schnell ausgebucht. Heinz Sobioch: „Wenn man gegen 11 Uhr an den öffentlichen Herbergen vorbeikommt, stehen da oft schon ‘zig Rucksäcke davor, obwohl sie erst um 13 Uhr öffnen. Die Leute wollen sich einen Platz sichern, denn in diesen Herbergen kann man nicht reservieren.“