Raus aus den Schulden – das kann mit einer guten Beratung erfolgreich gelingen. Doch kostenfreie Hilfe gibt es bislang nur für rund 15 Prozent der 6,8 Millionen überschuldeten Menschen in Deutschland. Die Diakonie RWL fordert daher einen bundesweiten Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung und eine bessere Finanzierung. Petra Köpping, in der Diakonie RWL für das Arbeitsfeld Schuldner- und Insolvenzberatung zuständige Referentin, erklärt im Gespräch mit Sabine Damaschke, worum es geht.
Schulden zu haben, ist in unserer Gesellschaft üblich. Der Staat ist verschuldet, viele Bürger haben Kredite aufgenommen, um ihr Haus oder Auto bezahlen zu können. Wann reden wir von „Überschuldung“?
Wer überschuldet ist, kann seine Kredite nicht mehr zurückzahlen. Das trifft derzeit auf knapp 6,8 Millionen Menschen in Deutschland zu. Der durchschnittliche private Schuldner müsste, das zeigen Auswertungen aus den Schuldnerberatungsstellen, fast drei Jahre lang sein gesamtes Einkommen an seine Gläubiger abliefern, um wieder schuldenfrei zu sein. Viele befinden sich also in einer verzweifelten Situation und brauchen dringend professionelle Hilfe.
Wer überschuldet ist, dem wird leicht nachgesagt, dass er nicht haushalten kann und zu konsumorientiert ist. Stimmt das?
Dieses Vorurteil ist weit verbreitet, aber es stimmt so nicht. Der Großteil der Menschen, die in unsere 80 Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland kommen, haben Risiken und Brüche in ihrem Leben erlebt, die sie in die Überschuldung getrieben haben. Dazu gehören vor allem Arbeitslosigkeit, Trennung und Scheidung, Krankheit oder Sucht.
In den letzten zehn Jahren stellen wir fest, dass zunehmend Menschen aus der Mittelschicht in den Beratungsstellen auftauchen, die sich nach dem Verlust des Arbeitsplatzes und einer Scheidung überschulden oder auch durch den gescheiterten Versuch, sich selbstständig zu machen.
Übrigens beraten wir auch immer mehr ältere Menschen, die uns sagen, dass sie schuldenfrei sterben möchten und sich sehr dafür schämen, dass sie mit ihrer kleinen Rente nicht haushalten können.
Wer hat denn Anspruch auf eine Beratung?
Seit einer Gesetzesänderung von 2011 können eigentlich nur noch diejenigen eine kostenfreie Beratung in Anspruch nehmen, die arbeitslos gemeldet sind, Hartz IV oder eine aufstockende Sozialhilfe beziehen oder bei denen eine besondere Hilfebedürftigkeit nach dem Sozialgesetzbuch XII festgestellt wurde, etwa im Fall einer psychischen Erkrankung.
All diejenigen, die Arbeit haben, aber so wenig verdienen, dass sie immer mehr Schulden anhäufen, gehören zunehmend nicht mehr dazu. Dabei nimmt die Zahl der prekär Beschäftigten, die von ihrem Lohn kaum leben können, rasant zu. Insgesamt leben derzeit rund acht Millionen Menschen in Deutschland von einem Niedriglohn.
Im Superwahljahr 2017 erhöht die Diakonie ihren Druck auf die Politik, endlich einen bundesweiten Rechtsanspruch auf Beratung einzuführen. Was würde daraus folgen?
Natürlich muss mit der Öffnung der Beratungsstellen für alle Bürgerinnen und Bürger eine bessere und unkompliziertere Finanzierung einhergehen. Daran ist unsere Forderung bislang auch gescheitert.
Dabei können wir belegen, dass jeder in die staatlich anerkannten Beratungsstellen investierte Euro soziale und wirtschaftliche Wirkungen im Gegenwert von 5,30 Euro erzielt. Es ist also letztlich günstiger für den Staat, in eine Beratung zu investieren als die Folgen der Überschuldung zu finanzieren. Denn Schulden machen auf Dauer krank und arbeitsunfähig.