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Im Vatikan sprechen die Kardinäle über die Kirche der Zukunft

Vor dem Konklave haben die Kardinäle gut zwei Wochen Zeit, über die Zukunft der Kirche und das Profil des künftigen Papstes zu beraten. Worüber sie sprechen, ist nicht öffentlich – aber auch nicht ganz geheim.

Täglich trifft sich das Kollegium der Kardinäle im Vatikan. Seit Papst Franziskus am Ostermontag starb, kommen sie zusammen und sprechen über praktische Fragen, die bis zur Wahl des Nachfolgers zu erledigen sind. Seit der Beisetzung des Papstes am 26. April kommen dabei auch immer mehr grundsätzliche Themen zur Sprache.

Zwar sind die Versammlungen der inzwischen fast 200 alten und sehr alten Männer in der vatikanischen Synodenaula nicht öffentlich. Doch sind sie nicht ganz so hermetisch abgeriegelt wie das eigentliche Konklave, das am 7. Mai in der Sixtinischen Kapelle zusammentritt. Jetzt, beim sogenannten Vorkonklave, wird manches auf Umwegen bekannt.

Einige Teilnehmer des Vorkonklaves sprechen morgens beim Hineingehen oder mittags nach getaner Arbeit mit den wartenden Journalisten. Andere haben gute Kontakte in die Medienwelt und organisieren Hintergrundrunden, bei denen sie “unter drei” manches erzählen. Und dann sind da noch die verhaltenen Auskünfte des vatikanischen Pressesprechers Matteo Bruni sowie die Predigten der wenigen Kardinäle, die in diesen Tagen öffentliche Gottesdienste feiern.

Aus all dem ergibt sich ein Mosaik von Themen und Tendenzen, das eine Vorahnung für die Wahl und sogar auf das kommende Pontifikat geben kann. So erklärte Bruni am Dienstag auf Nachfragen mehrerer Journalisten, dass die angespannte finanzielle Lage des Vatikans zwar nicht als eigenes Thema angesprochen worden sei. Doch sei sie in manchen Beiträgen erwähnt worden, wenn es um den Dienst der Kirche an der Welt ging.

Kein Thema ist hingegen diesmal eines, das beim Vorkonklave 2013 dominierte: die Klagen über eine oft ineffiziente und als arrogant empfundene römische Kurie. Hier scheinen die zwölf Jahre Bescheidenheits-Kur unter Franziskus und die von ihm durchgezogene große Kurienrefom die Landschaft an der Kirchenspitze nachhaltig verändert zu haben. Auch das Thema Synodalität, das unter Franziskus als Synonym für eine neue Kultur der breit gefassten Mitbestimmung in der Kirche propagiert wurde, kam laut Bruni in den Kardinalsversammlungen nur am Rande zur Sprache.

Stattdessen seien oft Themen genannt worden, die mit den sehr unterschiedlichen Entwicklungen in den verschiedenen Regionen der Erde zu tun haben. Was das war, führte er nicht aus. Doch auch hier gibt es Schlaglichter. So deutete ein Kardinal aus Mitteleuropa an, dass die wachsende Orientierungslosigkeit vieler Menschen und ihre Gleichgültigkeit gegenüber religiösen Fragen als Herausforderung für die Kirche angesprochen worden sei.

Und von einem Afrikaner war zu hören, einige Kardinäle aus Afrika und Nahost hätten mehr Klarheit im Umgang mit anderen Religionen gefordert. Das unter Franziskus sehr weit getriebene Entgegenkommen der Kirche in der “Geschwisterlichkeit” mit dem Islam und anderen Religionen habe bei manchen Gläubigen zu Verwirrung geführt.

Auch der von den Medien gerne beschworene Gegensatz zwischen Konservativen und Reformern in der Kirche spielte offenbar eine Rolle. Der zum Reformlager gerechnete kanadische Kurienkardinal Michael Czerny wurde mit einer interessanten Analyse zitiert. Sinngemäß habe er gesagt: Die in einigen Redebeiträgen beschworene Einheit der Kirche (im Gegensatz zu der unter Franziskus oft sehr lebhaften innerkirchlichen Debatte und Streitkultur) sei letztlich nur eine Aufforderung, die Uhren wieder zurückzudrehen, um die unruhig gewordenen Konservativen wieder einzufangen. Doch wer Reformen wolle, müsse Meinungsverschiedenheiten in Kauf nehmen.

Der Kardinalvikar des Papstes für das Bistum Rom, Baldassare Reina, gehört zu den wenigen Kardinälen in Rom, die laut Kirchenrecht ihr Amt trotz Papsttod weiter innehaben. Er nutzte am Montagabend eine Predigt vor den Kardinälen zu einer ähnlichen Positionierung: “Wir können uns nicht der geistigen Trägheit ergeben, die uns an Gotteserfahrungen und kirchliche Gewohnheiten der Vergangenheit bindet (…) und diktiert wird von Verlustängsten angesichts der notwendigen Veränderungen.”

Viele Menschen fragten sich beunruhigt, was jetzt aus den Reformprozessen werde, die Franziskus angestoßen habe. Reinas Antwort war eindeutig – wenn auch mit einer Prise Vorsicht am Ende: “Das Schiff Petri braucht diese weite, Grenzen überwindende und überraschende Ausrichtung”, so seine Vision. Die Pflicht der Kardinäle sei es nun, “das was begonnen wurde, zu sichten und zu ordnen im Lichte unseres Auftrags”.