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“Ich habe Gottvertrauen!”

Friede Springer: Die Mehrheitsaktionärin der Axel Springer SE gibt selten Interviews. Für die Kirchenzeitung hat sie eine Ausnahme gemacht. Willi Wild sprach mit ihr über ihr gesellschaftliches und kulturelles Engagement und über ihren Glauben.

Frau Springer, Sie waren stellvertretende Vorsitzende des „Freundeskreises Luther“ in Wittenberg, der sich unter dem Motto „Gemeinsam erneuern“ vor allem um die Sanierung des Schlosskirchenensembles verdient gemacht hat. Wie kam es zu Ihrem Engagement?

Friede Springer: 2009 hatte mich der damalige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Professor Wolfgang Böhmer, angerufen. Wir kannten uns von den Feierlichkeiten zum 25-jährigen Jubiläum des Pontifikats Papst Johannes Pauls II. im Jahr 2003. Während dieser Zeit pflegten wir einen guten Kontakt. Er berichtete mir über die Luther-Dekade, die in das Reformationsjahr 2017 mündete. Er wollte mich als Vorsitzende für einen Förderverein gewinnen. Zunächst war ich wegen meiner vielen Ehrenämter zurückhaltend. Als mich Professor Böhmer fragte, ob ich stattdessen Mitglied des Vereins werden möchte, habe ich jedoch sofort zugesagt.

Wir haben uns gemeinsam auf die Suche nach Mitstreitern gemacht. Als August Oetker seine Zusage für den Vorsitz gab, war ich gern bereit, seine Stellvertreterin zu werden. Das war der Beginn. Wir hatten Freunde angefragt, von denen wir wussten, dass sie mit der Kirche eng verbunden sind. Wir wurden ein richtig gutes Team: der „Freundeskreis Luther“.

 

Was war der Vereinszweck?

Uns wurden Vorschläge unterbreitet, wo wir uns engagieren konnten. Architekten und Kunsthistoriker präsentierten interessante Projekte, durch die wir viel Neues über Luther und die Schlosskirche gelernt haben. Beispielsweise waren in der damaligen DDR die Glasfenster der Schlosskirche durch einfaches Fensterglas ersetzt worden. Die Gestaltung der Fenster mit den Wappen der 198 Städte des damaligen Heiligen Römischen Reiches, die sich zur Reformation bekannten, waren den Herrschenden suspekt. Ein Glaser aus Quedlinburg hatte seinerzeit unerlaubterweise die alten Buntglasfenster gerettet. Diese Fenster haben wir erworben und wieder einbauen lassen. Wenn die Sonne durch die restaurierten Fenster scheint, wird die Schlosskirche in ein anderes, wunderschönes Licht getaucht. Der Freundeskreis Luther hat sich dafür eingesetzt, dass der Innenraum der Schlosskirche die ursprünglichen Bilder erhält, die in der ehemaligen DDR aus dem Kirchenraum verbannt wurden.

 

Sie haben auch viele Spenden eingeworben.

Knapp eine Million Euro waren es zum Schluss. Die Winterkirche konnte renoviert werden. Der Künstler Marco Flierl hat eine wunderschöne Verbindungs-tür zwischen dem Schloss und der Schlosskirche entworfen.

 

Da ist es ja wirklich schade, dass der Freundeskreis Ende 2017 aufgelöst worden ist. Haben Sie über eine Fortsetzung nachgedacht?

In der Tat, wir haben kürzlich verabredet, uns alle zwei Jahre zu treffen, an wechselnden Orten, wo wir uns auch weiterhin einbringen können. Wir hatten im Freundeskreis so eine gute Gemeinschaft und können einfach nicht voneinander lassen (lacht).

 

In den Jahren 2021 und 2022 hätten Sie ja auch mit der Ankunft Luthers auf der Wartburg vor 500 Jahren und der Übersetzung des Neuen Testaments ein interessantes Thema.

Das ist eine gute Anregung.

 

Was verbinden Sie und was verbindet Sie persönlich mit Luther?

Ich bin Altlutheranerin. Mein verstorbener Mann hat sich intensiv mit Luther beschäftigt. In seinem Büro im Verlagshaus hing bereits damals ein Luther-Porträt. Heute nutze ich das Büro, und das Luther-Porträt begleitet mich weiterhin. Selbstverständlich haben wir uns im Lutherkreis intensiv mit der Thematik beschäftigt; hierdurch habe ich weiter viel Interessantes erfahren über Luthers Leben und seine Theologie.

 

Welche Rolle spielt die Bibel in Ihrem Leben?

Für mich ist die Bibel ein wichtiges Buch. Ich komme aus einer protestantischen Familie, in der die Bibel nicht fehlen durfte. Ich bewundere Menschen, die das Buch der Bücher durchgelesen haben. Das ist mir bislang noch nicht gelungen. Loriot, also Vicco von Bülow, mit dem ich befreundet war, ist es gelungen.

 

Sie haben Ihren Mann im Sterben begleitet. Da spielte ein Bibelvers eine Rolle, schreiben Sie im Buch „Die Freunde dem Freund“ zum Abschied von Axel Springer.

Ich habe Axel Springer die Losung des Tages aus dem Losungsbuch der Herrnhuter Brüdergemeine vorgelesen. „Du bist die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe“. Ein Vers aus Johannes 11, Vers 25. Ich sagte zu ihm: „Das ist für Dich geschrieben.“ Axel strahlte in dem Moment eine heitere Gelassenheit aus, war voller Frieden. Kurz darauf hörte sein Herz auf zu schlagen.

 

Jochen Klepper lässt in seinem Roman „Der Vater“ Friedrich den Großen sagen, dass der König arm sei, wenn er einen Arzt brauche. Ehre, Macht und Reichtum spielen in existenziellen Situationen keine Rolle mehr. Kennen Sie Zeiten, in denen nur noch der Glaube Halt und Trost gibt?

Ich verehre Jochen Klepper. Er ist übrigens auf dem gleichen Friedhof beerdigt wie Axel Springer, in Nikolassee.

Meine Mutter, die eine sehr fromme Frau war, hat mir folgendes mit auf den Weg gegeben: „Friede, vergiss nie zu danken“. Dankbarkeit ist für mich eine Grundhaltung. Ich finde Trost und Hilfe im Gebet. Jeden Tag beende ich damit.

 

Sie haben am Wittenberg-Zentrum eine Stiftungsprofessur für Globale Ethik eingerichtet. Da geht es um neue Wertorientierung. Welche Werte sind Ihnen wichtig?

Wir haben einen Wertekanon in unsere Verlagsstatuten integriert. Die deutsch-israelische Aussöhnung beispielsweise, oder eine deutliche Abgrenzung gegen Rechts- und Linksextremismus. Jeder Redakteur verpflichtet sich mit seiner Unterschrift, diese Werte zu achten und dafür einzustehen.

 

Die Beziehung zu Israel ist Ihnen eine Herzensangelegenheit. Das haben Sie von Ihrem verstorbenen Mann übernommen.

Axel Springer war einer der ersten, der sich aktiv für die deutsch-israelische Verständigung und die Aussöhnung eingesetzt hat. Er hat sich befreundet mit dem damaligen Bürgermeister von Jerusalem, Teddy Kollek. Jerusalem war unsere Stadt. Ich habe die Stempel in meinem Ausweis gezählt, 57 Mal war ich in Israel. Zwei Ehrendoktorwürden sind mir dort verliehen worden, in der Ben-Gurion-Universität und im vergangenen Jahr in der Hebräischen Universität in Jerusalem. Darüber habe ich mich besonders gefreut.

 

Wie sehr belastet Sie der aufkeimende Antisemitismus in Deutschland?

Das finde ich furchtbar und wir müssen dagegen etwas tun. Ich bin froh, dass unsere Zeitungen hier eine ganz klare Linie gegen Antisemitismus fahren. Das wird wahrgenommen. Kürzlich sprach mich ein mir Fremder beim Einkaufen am Obststand an. Er gab sich als Jude zu erkennen und sagte: „Ich freue mich, Sie zu treffen. Ohne Axel Springer und die Zeitungen des Verlages, die an unserer Seite sind, wäre ich längst nicht mehr in Deutschland.“ Über diese spontane und unvermittelte Aussage habe ich mich sehr gefreut.

 

Sie sind auch Anfeindungen ausgesetzt. Haben Sie Angst?

Nein. Ich habe Gottvertrauen!

 

Sie fördern den deutsch-israelischen Jugendaustausch. Welche Erfahrungen machen Sie damit?

Die Axel Springer Stiftung fördert Schul-Exkursionen aus Deutschland nach Israel. Wir unterstützen Schülergruppen aus ganz Deutschland. Dieses Engagement würden wir sehr gern weiter ausbauen. Aus diesem Grund habe ich Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer angeschrieben, aus deren Ländern wir zur Zeit wenig oder gar keine Anfragen erhalten. Das möchte ich gern ändern.

 

Mit Ihrer Stiftung tun Sie viel Gutes, ohne dass man viel darüber liest. Warum halten Sie sich da so zurück?

Ich arbeite im Stillen. Ich engagiere mich in Israel oder in Deutschland und unterstütze vor allem wissenschaftliche Projekte. In meiner Stiftung gibt es ein fachkompetentes Kuratorium aus Wissenschaftlern und Fachleuten, die mich sehr gut beraten.

 

In diesem Jahr begehen wir 30 Jahre Deutsche Einheit. Ihr verstorbener Mann konnte seinen Traum nicht mehr erleben. Wie sehen Sie heute das wiedervereinte Deutschland?

Ich hatte einen großen Nachholbedarf. Es war schwierig mit meinem Namen „Springer“ in die ehemalige DDR zu fahren. Als die Mauer gefallen war, bot sich mir endlich die Gelegenheit, Land und Leute kennenzulernen. Die neuen Bundesländer sind für mich ein Geschenk.