Berlin – Die Jugend von heute ist unpolitisch und egoistisch? Von wegen. Die Shell-Jugendstudie, die alle vier Jahre erhoben wird und jetzt in Berlin vorgestellt wurde, kommt zu ganz anderen Ergebnissen: Danach schätzen Jugendliche mehr und mehr althergebrachte Werte, ihnen ist die Familie wichtig, sie interessieren sich durchaus für Politik und haben mehr Angst vor Fremdenfeindlichkeit als vor Zuwanderung. Und der Großteil blickt optimistisch in die Zukunft.
61 Prozent der befragten 12- bis 25-Jährigen sehen demnach ihre Zukunft positiv. 2010 waren es noch 59 Prozent der befragten 12- bis 25-Jährigen.
Allerdings teilten Jugendliche aus der sozial schwächsten Schicht die steigende Zuversicht nicht: Wie schon 2010 äußert sich nur ein Drittel von ihnen optimistisch zur eigenen Zukunft. In anderen Kreisen hingegen sind dies drei Viertel der Befragten.
Hoch im Kurs steht bei Jugendlichen die Familie: Mehr als 90 Prozent pflegen ein gutes Verhältnis zu ihren eigenen Eltern. Fast drei Viertel der Befragten würden die eigenen Kinder ungefähr so oder genauso erziehen, wie sie selbst erzogen wurden, so die Studie. Dieser Wert hat seit 2002 stetig zugenommen. Zugleich können sich immer mehr Jugendliche auch vorstellen, alleine zu leben. Während 2010 noch 76 Prozent der Meinung waren, Familie sei notwendig, um glücklich zu sein, sind es in der aktuellen Studie lediglich 63 Prozent.
Die Familie bleibt enorm wichtig
Dagegen geht laut Studie der Kinderwunsch zurück. Es wünschten sich derzeit 64 Prozent aller Jugendlichen Nachwuchs, 2010 seien es 69 Prozent gewesen.
Ein Grund mag dabei sein, dass die Jugendlichen bei ihren Eltern sehen, wie schwierig es für die meisten ist, Familie und Beruf zu vereinbaren. Wichtig ist für die Befragten deshalb, dass sie sich zwar erfüllende Tätigkeiten wünschen, diese sollten aber auch zugleich so flexibel sein, dass dabei die Familie nicht zu kurz kommt.
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) kann sich mit ihrem Vorhaben einer Familienar-beitszeit bestätigt fühlen, die es Eltern erlauben soll, weniger zu arbeiten, solange ihre Kinder klein sind: Bei den befragten Jugendlichen möchten drei Viertel in Teilzeit arbeiten können, sobald sie Kinder haben.
Weitere Ergebnisse der Studie: Bei Jugendlichen ist die Angst vor Fremdenfeindlichkeit stärker als die Angst vor Zuwanderung. So fürchten sich 29 Prozent vor mehr Zuwanderern, aber 48 Prozent haben Angst vor Ausländerfeindlichkeit. Obwohl der Trend zur Rückbesinnung auf traditionelle Werte wie Familie und Freundschaft, aber auch Fleiß und Ehrgeiz anhält, verlieren die christlichen Religionen an Bedeutung: 33 Prozent der Befragten gaben an, dass es für sie wichtig ist, an Gott zu glauben (2010: 36 Prozent). Für die katho-lischen Jugendlichen spielt bei 39 Prozent der Glaube an Gott eine bedeutende Rolle bei der Lebensführung (2010: 43 Prozent), bei den Protestanten sind es 32 Prozent (2010: 39 Prozent), bei Vertretern anderer Religionen liegt der Wert bei 70 Prozent (2010: 72 Prozent).
Gott und Religion spielen eine Rolle
Auch die Wertschätzung der Kirchen sinkt: Bei den Katholiken finden es 75 Prozent gut, dass es eine Kirche gibt (2010: 79 Prozent), bei den Protestanten waren es 72 Prozent (2010: 76 Prozent). Zugleich warten die Befragten auf Reformen: 75 Prozent der Katholiken gaben an, dass die Kirche sich ändern müsse, wenn sie eine Zukunft haben wolle (2010: 73 Prozent).
Zum Vergleich: Bei den Protestanten waren 63 Prozent für Reformen (2010: 72 Prozent).
Für Mathias Albert, Bielefelder Soziologe und einer der Autoren der Studie, steht fest: Die Generation ist im Aufbruch. Die Jugendlichen seien pragmatischer geworden und „hochgradig tolerant“. Sie wollten sich für eine gute Zukunft engagieren, sie interessierten sich stärker für gesellschaftlich-politische Themen, hingen an ihrer Familie, schätzten aber auch das Single-Dasein.
Was im Vergleich zu früheren Studien bleibt, ist die Kluft zwischen Arm und Reich. Nach wie vor schätzen 10 bis 15 Prozent der Befragten die Chancen für die Zukunft als eher schlecht ein.