Mehr als 100 tote Flussdelfine in der Amazonasregion, wenige Regenfälle und extrem hohe Temperaturen – große Teile von Südamerika sind fest im Griff einer Hitzewelle. Mitte Oktober wurde aus der Amazonasstadt Manaus der tiefste Wasserstand für den Rio Negro seit Beginn der Aufzeichnungen gemeldet. „So etwas haben wir noch nie gesehen. Das ist die schlimmste Dürre der Geschichte“, sagte der Gouverneur des brasilianischen Bundesstaats Amazonas, Wilson Lima. In mehr als 50 Städten wurde der Notstand ausgerufen.
Rodney Martínez Güingla von der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) betont, dass es mehrere Gründe für die aktuelle Hitze und Dürre gibt. Der Klimawandel, das Wetterphänomen El Niño und auch überdurchschnittliche Temperaturen im Atlantik trügen dazu bei. „Global waren die vergangenen Monate überdurchschnittlich warm“, erklärt er.
In Südamerika beginnt der Sommer erst langsam, aber schon in den vergangenen Monaten war es deutlich zu heiß. In Brasilien, Bolivien, Argentinien und Paraguay stiegen die Temperaturen beispielsweise schon im August und September häufig auf über 40 Grad Celsius. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Initiative „World Weather Attribution“ kamen zu dem Schluss, dass der menschengemachte Klimawandel die Hitzewellen rund 100-mal wahrscheinlicher und mindestens 1,4 Grad wärmer machte.
Zu der Dürre in der Amazonasregion trage auch die fortschreitende Abholzung und Zerstörung der Regenwälder bei, sagt Martínez von der WMO. „Dadurch wird der Wasserkreislauf in der Region gestört.“ Bisher entstanden durch Verdunstung über der Amazonasregion riesige Wolkenmassen, die dann als sogenannte „fliegende Flüsse“ Regen und Wasser in große Teile von Südamerika brachten. Da inzwischen rund 20 Prozent des Amazonas-Regenwaldes abgeholzt wurde, funktioniert dieser Mechanismus nicht mehr so gut. Das führe zunehmend dazu, dass wüstenartige Regionen entstehen.
Auch in Bolivien ist die extreme Hitze zu spüren. „Besonders alte Menschen und Kinder leiden darunter“, sagt Marianela Montes de Oca. Sie ist Direktorin der Hilfsorganisation „Save The Children“ in Bolivien. Durch das wenige Wasser sei auch die Landwirtschaft beeinträchtigt. „Eigentlich müsste aktuell schon Quinoa gepflanzt werden, aber wegen der Dürre ist das sehr schwierig“, erzählt Montes de Oca. Die nährstoffreiche Pflanze ist für viele Menschen in Bolivien Grundnahrungsmittel.
Zusätzlich gebe es mehr Durchfallerkrankungen, weil sich Bakterien im warmen Wasser besser ausbreiten. „Save the Children“ erhält auch Berichte, dass Kinder aufgrund der extremen Hitze beispielsweise in der bolivianischen Amazonasregion lange Schulwege nicht mehr bewältigen können und dem Unterricht fernbleiben.
Die bolivianische Regierung habe die akuten Probleme einigermaßen im Griff, sagt Montes de Oca. Es gebe Programme, um Wasser zu sparsamer zu nutzen, Zisternen würden angelegt und die Bevölkerung aufgeklärt. Langfristig sei das aber zu wenig: „Bolivien trägt sehr wenig Verantwortung für den Klimawandel, ist aber sehr anfällig für seine Folgen“, sagt Montes de Oca. Darum brauche das Land internationale Unterstützung. Konkret wünscht sie sich, dass für Schäden und Verluste („Loss and Damage“) Geld ins Land fließt – ein Fonds für solche Entschädigungszahlungen soll auf der in wenigen Tagen beginnenden Weltklimakonferenz in Dubai eingerichtet werden.
Wenn El Niño im nächsten Jahr zurückgehe, könnte es etwas weniger heiß werden, sagt WMO-Experte Martínez. „Zurück zum Normalen, wie wir es bisher kannten, wird es aber nicht gehen.“ Im Gegenteil – der fortschreitende Klimawandel mache Hitzewellen und Dürren immer wahrscheinlicher. Um daran etwas zu ändern, müsse man mehr gegen die Gründe tun: die Abholzung beenden und die weltweiten Emissionen schneller senken. Kurzfristig ist wenigstens ein bisschen Entspannung in Sicht: Im November und Dezember bringt El Niño traditionell viel Regen nach Südamerika.