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Historikerin: Reformation eröffnete Frauen nur kurzfristig neue Chancen

wittenberg – Die Reformation hat zum Teil völlig neue Handlungsmöglichkeiten eröffnet und die Geschlechterordnung nachhaltig verändert. Die ambivalenten Folgen besonders für Frauen erläuterte Eva Labouvie, die an der Universität Magdeburg lehrt, im Rahmen der Themenwoche „Familie, Lebensformen und Gender“ auf der Wittenberger Weltausstellung Reformation.
„Viele überlieferte Wertvorstellungen wurden für eine kurze Zeit aufgegeben, es entstand Raum für Freiheiten“, sagte die Historikerin. Chancen für Frauen habe es dabei jedoch nur in den Anfangsjahren der religiösen Erneuerungsbewegung gegeben. Spätestens ab 1530 seien ihre Aktivitäten, die mancherorts sogar Predigen, Taufen und die Feier des Abendmahls umfassten, wieder zurückgedrängt worden. „Frauen, die sich auf biblische Traditionen der Geschlechtergleichheit berufen hatten, wurden wieder in die vormalige hierarchische Ordnung der Geschlechter verwiesen.“

Alte hierarchische Ordnung kehrt wieder

Die Reformation habe sich einzig auf ein männliches Gottesbild gestürzt, sagte die Wissenschaftlerin. „Die Aufwertung der Ehe als einzig legitime und verpflichtende Lebensform und erste Ordnung Gottes durch die männlichen Reformatoren schuf die Grundlage männlicher Autorität und Geschlechter­hierarchie“, schlug sie den Bogen in die Gegenwart. Der Mann avancierte zum „Hausvater“, der die Familie regierte und nach außen vertrat. „Das Wirkungsfeld der Frau beschränkte sich in der Folge dagegen immer mehr auf das Innere des Hauses.“
Wer sich die historischen Entwicklungslinien im Spannungsfeld von Glaube und Geschlecht vergegenwärtige, werde mit Blick etwa auf die neuerliche Abschaffung der Frauenordination in Nordeuropa feststellen: „Die Reformation ist aus geschlechterhistorischer Perspektive noch lange nicht abgeschlossen.“ UK