Bad Segeberg. Man stelle sich vor: eine mit 200 Menschen besetzte Kirche, lauter Klassikliebhaber. Auf einer Trauerfeier nehmen sie Abschied von einem stadtweit bekannten, geliebten Menschen, der sich zu Lebzeiten eigens hierfür anspruchsvolle Werke von Bach gewünscht hat. Und dann das: Mitten in der Feier lässt sich die Orgel kaum mehr spielen, eine Pfeife versagt den Dienst. Der Organist spielt der Pastorin in Windeseile eine Notiz zu, beide müssen improvisieren.
So geschehen in der Marienkirche in Bad Segeberg. Die Pastorin ist Rebecca Lenz, der Organist ist Kirchenkreis-Kantor Andreas Maurer-Büntjen. Während sie von dem peinlich erlebten Vorfall berichten, ist ihnen die Anspannung und auch Scham wieder anzumerken. Auf der alten Marcussen-Orgel, die derzeit noch in der Marienkirche steht, zu spielen, sei „immer ein Pulverfass“, sagt der A-Musiker.
Marode Kabel
Das Instrument wird immer öfter nicht nur auf Trauerfeiern, sondern auch bei Tauffesten und Hochzeiten zu einer gewaltigen Herausforderung. „Das Problem ist, dass es aus verschiedenen Teilen anderer Orgeln zusammengesetzt ist“, erläutert Maurer-Büntjen. Teils stammen die Orgelpfeifen aus dem 19. Jahrhundert, teils wurden sie nach dem Zweiten Weltkrieg erneuert oder ausgetauscht – zu einer Zeit, in der die Zusammensetzung etwa der Pfeifen von minderwertiger Qualität war. Sie werden über kleine Zungen gestimmt – doch das brüchige Material, schon mehrfach gelötet, ist inzwischen einfach auf.
Hinzu kommt, dass die Orgel in den 1970er-Jahren elektrifiziert wurde – nach mehr als 40 Jahren sind nun die verlegten Kabel marode, bei jedem Spiel fliegen die Funken. „Das Schlimmste, was passieren kann, ist ein Schwelbrand“, erklärt der Kantor: Die Kabel und elektrischen Widerstände sind ohne Isolierung auf Sperrholztafeln gelötet, daher die Brandgefahr. Um größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten, wurde nicht nur ein Sicherheitsschalter eingebaut, der das Instrument im Ruhezustand vom Stromnetz trennt, sondern es steht auch stets ein Feuerlöscher griffbereit, wenn der Organist in die Tasten greift. „Wenn etwas akut ausfällt, hilft uns ein befreundeter Elektroniker im Ruhestand“, sagt der Organist.
Neubau mit 3278 Pfeifen
Ab 2025, so der Plan, soll eine neue Orgel in der Marienkirche erklingen. „Ein Kunstwerk und Unikat, speziell abgestimmt auf die Marienkirche“, schwärmt Maurer-Büntjen. Der Neubau von der Firma Winterhalter aus dem Schwarzwald wird 3278 Pfeifen besitzen, die künftig Musik aus dem Barock und der französischen Romantik erklingen lassen werden. Bis dahin gilt es, Spenden einzusammeln: Der Neubau kostet rund 1,2 Millionen Euro. Wenn man die Zahl durch 3278 teilt, erhält man 366, rechnet der Kantor vor: „Soviel kostet im Durchschnitt eine Pfeife der neuen Orgel.“ Etwa ein Sechstel der Gesamtsumme ist schon über Tasten- und Pfeifen-Patenschaften finanziert.
Mit der Benefizkonzertreihe, bei der ausschließlich Werke von Bach erklingen, will Maurer-Büntjen dies noch steigern. Das nächste Konzert findet am Sonnabend, 29. Februar, um 18 Uhr statt. Erst spielt der Organist, dann rennt er fix hinunter zum Eingang: Um den Zuhörern zu begegnen, mit ihnen zu sprechen, Beziehungen zu knüpfen – mit der Spendendose in der Hand.