Zu den einflussreichsten, politisch engagierten evangelischen Theologen deutscher Sprache in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts zählt Helmut Gollwitzer. Theologie im „Horizont der Weltveränderung“ war sein Thema, denn „der ganz andere Gott will eine ganz andere Gesellschaft“. Dass Gerechtigkeit und Frieden sich küssen bildet den Leitspruch für Gollwitzers Leben und Werk.
Wer ist Helmut Gollwitzer?
Helmut Gollwitzer war Professor für Theologie und begnadeter Prediger, ein zugewandter Seelsorger und ein politischer Christ, der aus der Kraft des Evangeliums lebte, und ein Freund von politischen Verantwortungsträgern und revoltierenden Studenten der 68er Jahre gleichermaßen. Als sozialistischer Demokrat ist er politisch aktiv und streitbar, er provoziert und sagt, was er denkt. Zugleich ist er seinen Nächsten zugewandt und sucht den Menschen hinter Meinungen und Ideologien. Geprägt ist Helmut Gollwitzer sowohl durch die national-konservative, bayrisch-lutherische Pfarrersfamilie, in die er 1908 geboren wird, als auch durch seinen theologischen Lehrer Karl Barth: Von ihm lernt er die Achtung vor der geistigen Leistung anderer, vor allem der theologischen Gegner, aber auch der politisch Andersdenkenden. Als Karl Barth zum wortführenden Theologen der Bekennenden Kirche avanciert, wird Hellmut Gollwitzer als Promovend im Schülerkreis Barths Teil der Bewegung.
Hilfprediger in Berlin- Dahlem nach Niemöllers Verhaftung
Bekennender Theologe zu sein, liegt Helmut am Herzen. Dies meint: „Wir haben über das Bekenntnis zu sprechen, also darüber, wozu die Kirche eigentlich da ist.“ Dabei ist ihm Zeit seines Lebens wichtig, zu einer Einheit der Kirche beizutragen. Ab 1937 wird Gollwitzer nach der Verhaftung von Martin Niemöller Hilfsprediger in der Dahlemer Kirchengemeinde. Bis zu seinem Reichsredeverbot ist er in Dahlem tätig. 1943 muss er zur Wehrmacht, 1945 kommt er in russische Kriegsgefangenschaft, von der er Ende 1949 zurückkehrt. Der Krieg hinterlässt tiefe Spuren in seinem Leben, auch durch den Suizid seiner Verlobten Eva Bildt.
Umzug nach Bonn
1950 zieht er nach Bonn und wird Professor für Systematische Theologie. 1951 heiratet er Brigitte Freudenberg und kehrt 1957 nach Dahlem zurück, weil er auf den Lehrstuhl für Evangelische Theologie an der Freien Universität berufen wird. Zahlreiche Predigten in der Dahlemer Gemeinde folgen. Helmut reist nach Israel, setzt sich ein für einen neuen Dialog mit dem Judentum und beteiligt sich an der Gründung der Arbeitsgemeinschaft „Juden und Christen“ beim Kirchentag. Theologisches Hauptwerk ist das Buch „Krummes Holz – aufrechter Gang“ (1970), in dem er der politisch radikalen Jugend die Frage nach dem Sinn des Lebens nahebringt.
Trauerredner für Ulrike Meinhof, Rudi Dutschke und Benno Ohnesorg
Darüber hinaus ist sein politisches Engagement charakteristisch. Er verkehrt in Bonner und Berliner Regierungskreisen und sympathisiert mit den revoltierenden Studenten und den Linken. Mit dem Marxismus setzt er sich vielfach kritisch auseinander und entwickelt eine Analyse der „kapitalistischen Revolution“. Als Theologe ist er in Politik und Gesellschaft erkennbar: So hält Gollwitzer Trauerreden für Benno Ohnesorg, für die Terroristin Ulrike Meinhof, für Rudi Dutschke in Dahlem oder für den Bundespräsidenten Gustav W. Heinemann.
Auf Spurensuche – Tagung vom 6. bis 8. Oktober
Die Kirchengemeinde Berlin-Dahlem veranstaltet die Tagung „Dass Gerechtigkeit und Frieden sich küssen. Tagung zum 30. Todestag von Helmut Gollwitzer (1908–1993)“, vom 6. bis 8. Oktober. Die Teilnehmenden begeben sich auf Spurensuche im Leben und Werk von Helmut Gollwitzer und seiner Frau Brigitte. Weggefährten aus Theologie, Kirche und Gemeinde sowie Menschen, die sich intensiv mit Helmut Gollwitzer beschäftigt haben, werden Horizonte erschließen. Zeitzeugen erinnern sich und die Tagung fragt, was sich von Gollwitzers Denken und Handeln für unsere Zeit lernen lässt, in der sich viele nach Frieden und Gerechtigkeit sehnen. Die Tagung organisieren Professor Matthias Hahn von der Evangelischen Hochschule Berlin, Professor Gottfried Orth von der Technischen Hochschule Braunschweig sowie die beiden Dahlemer Pfarrerinnen Cornelia Kulawik und Tanja Pilger-Janßen. Zu den Vortragenden zählen die Professoren Andreas Pangritz von der Universität Bonn und Peter Winzeler von der Universität Bern.
Die Tagung endet am 8. Oktober um 11 Uhr mit einem Festgottesdienst in der St.-Annen-Kirche, Königin-Luise-Str. 55, Dahlem. Die Predigt hält Bischof Christian Stäblein.
Nähere Informationen unter: www.kg-dahlem.de Anmeldungen im Gemeindebüro unter Telefon 030/841 70 50, per E-Mail: buero@kg-dahlem.de oder online: www.ekbo-termine.de/d-525213 Tanja Pilger-Janßen ist Pfarrerin der Kirchengemeinde Berlin-Dahlem
Weitere Informationen bietet das Porträt Helmut Gollwitzer “Der Querdenker” im Wichern-Verlag erschienen.