Mit einer Sonderschau zu der expressionistischen Künstlerin Else Lasker-Schüler (1869-1945) feiert das Günter-Grass-Haus in Lübeck seine Wiedereröffnung. „Ich freue mich, dass wir eine Frau in den Fokus rücken, die so faszinierend ist“, sagte Museumsleiter Jörg-Philipp Thomsa am Donnerstag in Lübeck. Die Ausstellung mit dem Titel „Else Lasker-Schüler – Künstlerin, Dichterin, Weltenbauerin“ ist von Mittwoch an bis zum 9. November zu sehen. Das Museum war vier Monate lang wegen Modernisierung des Brandschutzes und der Lichttechnik geschlossen.
In der Tradition des Günter-Grass-Hauses zeigt die Schau das Werk eines Multitalents. „Else Lasker-Schüler schrieb, dichtete, malte, tanzte und performte“, erläuterte die Kuratorin Paula Vosse. Sie sei ein „lebendiges Gesamtkunstwerk“ gewesen und als Vertreterin der Avantgarde ihrer Zeit voraus.
Mehr als 50 Zeichnungen und Grafiken, mehr als 20 illustrierte Briefe und Postkarten und über 30 Publikationen zeigt die Ausstellung komprimiert in einem Raum. Auch eine bislang unveröffentlichte Zeichnung, „Der tibetanische Tänzer“, ist zu sehen. In einem Glossar können Fachbegriffe aus den Begleittexten zur Schau in Fach- und Jugendsprache nachgeschlagen werden. Denn die Ausstellung richtet sich ausdrücklich auch an das jüngere Publikum.
Die facettenreiche Ausstellung umreiße das Leben der deutschen Jüdin, die von „ihrer Zeit nicht gewollt war“, sagte Vosse. Zum einen wurde sie Ende des 19. Jahrhunderts bereits in den Antisemitismus hineingeboren. Zum anderen hielten viele sie für verrückt, weil sie als Frau Gedichte veröffentlichte, als Mann verkleidet auf den Bühnen Berliner Kaffeehäuser stand und alleinerziehend war. Dabei habe sie sich lediglich nicht den gesellschaftlichen Zwängen unterworfen. „Ihr Schreibstil und ihre Illustrationen waren so modern, dass sie auch aus der Gegenwart stammen könnten“, sagte Vosse.
An einer Station hören die Besuchenden eine Anekdote aus dem Werk „Mein Jahrhundert“ von Günter Grass (1927-2015), in der der Autor von drei Originalpostkarten der Dichterin an ihren Freund, den Schriftsteller Gottfried Benn (1886-1956), berichtet. Diese Karten will Grass angeblich in einem Berliner Trödelladen entdeckt haben. Ob es sich dabei um Realität oder Fiktion handelt, bleibt offen. Ganz im Sinne Lasker-Schülers, die das Spiel mit der Realität so sehr geliebt habe, hieß es.