Sicherheitscheck mit Taschenkontrolle vor der Kirche. Gibt‘s nicht?
Gibt‘s doch. Jeden Sonntag im Dominion Theatre an der Tottenham Court Road in London. Mehrere hundert junge Menschen, die meisten zwischen 13 und 25 Jahre alt, stehen dicht gedrängt im Foyer des Theaters. Noch sind die Türen zu dem Raum geschlossen, wo in rund 20 Minuten der Gottesdienst startet. Hillsong, eine Gemeinde, die ihren Ursprung in Australien hat, lädt ein.Unsere Taschen sind sauber. Wir dürfen rein. Oben, im ersten Stock des Gebäudes, begrüßt uns Tom. Er steht an einem der Aufgänge und hält ein Schild mit der Aufschrift „Engage“ hoch. Tom merkt sofort, dass wir zum ersten Mal vor Ort sind und fragt, was uns motiviert hat, den Gottesdienst zu besuchen. Wir stammeln in gebrochenem Englisch über unser Interesse, diese Art von Gottesdienst kennenzulernen. Tom hört geduldig zu. „In ein paar Minuten gehen die Türen auf“, sagt er und wendet sich den nächsten Gästen zu.
Gottesdienst findet großteils im Stehen statt
Auf der Empore angekommen, suchen wir uns Sitzplätze, auf denen man gut sehen kann. Erst als die Veranstaltung losgeht, merken wir, dass das gar nicht nötig gewesen wäre. Denn große Teile des Gottesdienstes finden im Stehen statt. Genauer gesagt im Tanzen und Klatschen.
Doch bevor die Post richtig abgeht, begrüßt uns Elizabeth. Sie sitzt eine Reihe vor uns, springt aber sofort auf, als sie uns sieht, geht auf uns zu, gibt jedem die Hand, stellt sich vor und fragt mit einem Lächeln auf den Lippen, woher wir kommen.
Keine Frage: Wir fühlen uns herzlich willkommen, auch wegen des übergroßen Hinweises „Welcome Home“ („Willkommen zuhause“) auf der Mega-Leinwand vor uns. Anschließend weist uns Elizabeth auf das Info-Material hin, das uns zu Füßen liegt. Dort gibt es Hinweise für Menschen, die zum ersten Mal einen Hillsong-Gottesdienst besuchen und solche, die sich engagieren möchten.
Wir möchten erstmal feiern. Punkt Viertel nach Eins legt die Band los.
Im Hintergrund rauscht eine Lichtshow über die Bühne. Die Band legt mit ihren zehn Musikern eine durchgestylte Choreographie hin. Uns wackeln die Ohren, denn die Musik ist nicht nur professionell arrangiert und abgemischt, sondern nebenbei auch ganz schön laut. Okay, wir gehören mit unseren durchschnittlich 50 Lenzen wohl nicht zur Kernzielgruppe.
Spaß macht es trotzdem.
Nach drei Stücken, die nahtlos ineinanderfließen, kommt ein junger Mann auf die Bühne. Er sieht ein bisschen so aus, wie man sich Jesus in der heutigen Zeit vorstellen könnte. Hochgesteckter Zopf. Coole Klamotten.
Er begrüßt die Besucher und fordert uns auf, die Menschen vor, neben und hinter uns persönlich zu begrüßen. Anschließend trägt er Fürbitten vor, die Gottesdienstbesucher vor der Veranstaltung auf Zettel geschrieben haben. Statt eines biblischen Textes wird heute die Vision eines englischsprachigen Predigers vorgelesen, dessen Namen ich vergessen habe. Dann folgt der Anbetungsteil mit drei oder vier Songs. Genau lässt sich das nicht sagen. Die Lieder klingen für meine Ohren annähernd gleich.
Eine lange, aber unterhaltsame Predigt
Und dann, ja dann kommt Chris, der an diesem Tag die Predigt hält.
Chris hat Ausdauer. Er geht erst nach rund 45 Minuten. Doch die Zeit vergeht wie im Flug. Denn Chris kann lustig und unterhaltsam predigen. Vor allem kann er über sich selbst lachen. Und es tut gut, sowas mal in einem Gottesdienst zu erleben.
Chris spricht über Veränderung und fordert seine jungen Zuhörer auf, nicht einfach weiterzumachen wie bisher. „Veränderung ist immer möglich“, unterstreicht er. Manchmal sei es eben nötig, Schluss zu machen und alte Zöpfe abzuschneiden, auch wenn‘s weh tut. Um Neues zu wagen, auch wenn das vermeintlich unattraktiv ist.
Chris: „Du bist immer frei, hast immer die Wahl, dich zu entscheiden. Auch für den Segen und für Jesus.“
Fünf Minuten bevor er fertig ist, setzt die Band mit leiser Hintergrundmusik ein, die sich kontinuierlich steigert. So lange, bis sich am Schluss der Predigt die Musik und das Gesprochene synchron und gewaltig über das Publikum ergießen. Wow. Das mit der Gänsehaut funktioniert wirklich.
Nach rund 90 Minuten ist alles vorbei. Die Band verlässt beinahe fluchtartig die Bühne. Kein Wunder: In gut einer Stunde steht der nächste Gottesdienst auf dem Programm. Jede Minute Pause zählt. Nicht für Tom. Der steht immer noch im Foyer und hofft auf Menschen zu treffen, die mehr über den Glauben erfahren oder sich gleich für die Gemeinde engagieren möchten.
9000 Jugendliche werden mit Botschaft erreicht
Die Chancen stehen gut. Immerhin sind heute rund 3000 Menschen in der „Kirche“. Und zwar dreimal nacheinander. Um 11 Uhr, 13.15 Uhr und 16 Uhr ist die Hütte voll. 9000 Menschen werden an diesem Tag mit der biblischen Botschaft erreicht. Eine stolze Bilanz.
Ich möchte erstmal raus und werde am Ausgang freundlich mit guten Wünschen für den Rest des Sonntags verabschiedet. Der Hillsong-Gottesdienst ist vorbei. Ich frage mich: Was bleibt? Einerseits die Frage „War das jetzt wirklich ein Gottesdienst oder was war das eigentlich?“ Andererseits das Gefühl, mit einem Stück kirchlicher Jugendkultur in Berührung gekommen zu sein, die richtig rockt und die die Hallen füllt.