Den Engeln rutschen die weißen Strumpfhosen. Die Hirten bohren in der Nase. Josef hat seinen Text vergessen, und Maria fällt die Babypuppe auf den Boden.
Das Krippenspiel im Heiligabend-Gottesdienst ist meistens ein pannenreiches Gewusel, und trotzdem wird es heiß geliebt von den Gottesdienstbesuchern. Natürlich: Da stehen ja die eigenen Kinder oder Enkel vorm Altar und haben den ersten öffentlichen Auftritt ihres Lebens. Grund genug, sich in die überfüllten Bänke zu quetschen und gerührt der altbekannten Geschichte zu folgen.
Und was sind die Kleinen stolz, wenn das letzte Halleluja verklungen ist! Kein Wunder, dass viele Menschen, die jetzt auf großen Bühnen zuhause sind, schon als Kinder beim Krippenspiel oder auch, falls katholisch, als Messdiener aufgetreten sind. Die westfälische Präses Annette Kurschus zum Beispiel stand als Schaf zum ersten Mal auf der Bühne und hat sich später zur Maria hochgearbeitet – ein Karrierebeginn, den sie mit der Hollywood-Schauspielerin Nicole Kidman teilt. Das bekannte Model Eva Padberg spielte den Josef. Als Messdiener standen unter anderem Franz Müntefering, Günter Jauch und Thomas Gottschalk vor dem Altar – und, als eines der ersten Mädchen überhaupt, die heutige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles.
Ganz sicher ist der Auftritt in der Kirche eine beeindruckende Erfahrung für Kinder. Immerhin wird ihnen hier eine Menge zugetraut: Nichts weniger als die Menschwerdung Gottes dürfen sie in ihrem Spiel verkündigen. Große Worte wie „Euch ist heute der Heiland geboren“ übersteigen in ihrer theologischen Tragweite zwar sicherlich den kindlichen Horizont; aber dass es um etwas ganz Besonderes geht, das bekommen schon die kleinsten Engel mit. Und das „Fürchtet euch nicht“ ist für jeden verständlich, egal, wie alt er ist.
Klar wird ebenfalls: Auch die, die nicht oder noch nicht viel können, dürfen mitmachen, wenn es um das Erzählen von Gott geht. Denn dabei kommt es ja eben nicht auf Perfektion und große Kunst an, sondern auf die Erkenntnis: Gott ist da. Mitten im Leben. Im Großen wie im Kleinen, im Besonderen wie im Unscheinbaren. Und auch dort, wo etwas gründlich schiefgeht.
Das zu entdecken, darüber zu staunen und davon ganz unbefangen zu reden, das können Kinder besonders gut.
Und die Zuschauerinnen und Zuschauer? Vielleicht erzählt auch ihnen das unvollkommene Spiel der Kinder mehr davon, wie Gott ist, als manche Predigt. Es sind die Kleinen, die Armen, die Machtlosen, denen er sich zuwendet. Gerade die Weihnachtsgeschichte macht das deutlich: Gottes Sohn kommt in einem Stall zur Welt und wird bald darauf zum Flüchtling, und die ersten Zeugen dieses Wunders sind armselige Hirten.
Vielleicht gibt das Nacherzählen und Spielen dieser Botschaft von der Zuwendung Gottes zu den Kleinen so viel Selbstvertrauen, dass die kindlichen Schauspieler später zu selbstbewussten Menschen werden – und manche von ihnen dann wieder auf einer Bühne landen.
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Gott für die ganz Kleinen
Die Proben für die Aufführungen am Heiligen Abend gehen in die letzte Runde. Den kleinen Schauspielerinnen und Schauspielern wird dabei eine große Botschaft anvertraut