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Goslar prüft NS-Verstrickungen des Komponisten Paul Lincke

Die Stadt Goslar will mögliche Verstrickungen des Operetten-Komponisten Paul Lincke (1866-1946) in den Nationalsozialismus überprüfen und hat deshalb die Verleihung des nach ihm benannten Paul-Lincke-Rings zunächst für dieses Jahr ausgesetzt. Auf Grundlage bereits gewonnener Erkenntnisse, die Lincke unter anderem mit Personen aus dem Nationalsozialismus in Verbindung brächten, werde eine Fachexpertise in Auftrag gegeben, kündigte eine Stadtsprecherin am Dienstag an. Lincke gilt als Vater der „Berliner Operette“ und wurde bekannt durch das Lied „Das ist die Berliner Luft“.

Die Expertise soll Linckes Haltung in der NS-Zeit betrachten. Abhängig vom Ergebnis, empfehle die Preisjury einvernehmlich eine neue Ausrichtung des Preises, hieß es. Lincke war seit 1933 Mitglied und im Vorstand der von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels gegründeten „Kameradschaft der Deutschen Künstler“. Noch im selben Jahr komponierte er den Marsch „Unsere braunen Jungens“, der zum Repertoire der SS-Leibstandarte Adolf Hitler gehörte. Es folgten weitere Kompositionen mit ähnlichen Titeln.

Lincke war bisherigen Forschungen zufolge zwar nie Mitglied der NSDAP, ihn verbanden aber persönliche und teilweise sehr enge Kontakte zu verschiedenen prominenten Nationalsozialisten wie dem Kulturfunktionär Hans Hinkel, dem sogenannten „Reichsbühnenbildner“ Benno von Arent und Magda Goebbels, der Ehefrau von Joseph Goebbels.

Da nach 1945 der US-amerikanischen und der britischen Besatzungsmacht Linckes Verbindungen zum NS-Staat bekannt waren, belegten sie ihn in ihren jeweiligen Besatzungszonen mit Auftrittsverboten, die bis zu seinem Tod nicht aufgehoben wurden. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Paul Lincke im Goslarer Ortsteil Hahnenklee. Auf dem Friedhof der Gemeinde befindet sich auch sein Grab.

Zur Erinnerung an den Komponisten verleiht die Stadt Goslar seit 1955 den Paul-Lincke-Ring an Künstlerinnen und Künstler, die sich um die deutsche Unterhaltungsmusik und neue musikalische Bühnenwerke verdient gemacht haben. Zu den Preisträgern gehören unter anderem Udo Jürgens, Peter Maffay, Udo Lindenberg, Max Raabe, Wolfgang Niedecken, Ina Müller, Johannes Oerding und Annett Louisan.

Zum Preisträger 2024 wählte die Jury kürzlich den aus Bremen stammenden Musiker und Schriftsteller Sven Regener. Der 63-Jährige ist Liedermacher der Band „Element of Crime“ und Autor der „Herr Lehmann“-Buchreihe. Auch für Regener sei die Klärung von Paul Linckes NS-Bezügen unerlässlich, teilte die Stadtsprecherin weiter mit.