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“Genau in diese unfriedliche Welt kommt Gott”

Der Grund für die Weihnachtsfreude ist nicht der Zustand der Welt, hat der württembergische evangelische Bischof Ernst-Wilhelm Gohl in seiner Predigt am ersten Weihnachtsfeiertag in der Stuttgarter Stiftskirche gesagt. Der Grund sei die Gewissheit, dass selbst die größte Finsternis das Licht Gottes nicht verschlingen könne. Wie gewalttätig und unfriedlich die Welt ist, habe der Anschlag in Magdeburg wieder vor Augen geführt, sagte der Bischof. „Aber genau in diese unfriedliche Welt kommt Gott.“

Es gehe mit der Geburt des Jesuskinds auch um die Frage, wer am Ende die Macht über diese Welt habe und wer nicht. „Die mit grauenhaften Anschlägen die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen, um Angst und Schrecken zu verbreiten? Oder die, die mit ihrem unglaublichen Reichtum und ihrem Zugriff auf die Sozialen Netzwerke die öffentliche Meinung manipulieren und meinen, die Welt sei ein Unternehmen?“, spielte Gohl auf den Milliardär Elon Musk an.

Das Kind in der Futterkrippe sei „das Wort, das Mensch wird“, hatte Gohl bereits in seiner Ansprache zu Heiligabend betont. Worte hätten eine „ungeheure Macht“. Gewalt beginne fast immer mit Worten, wenn sie an niedrige Instinkte appellierten oder Neid oder Angst verbreiten würden. „Aber Gottes Wort schürt keinen Neid und macht keine Angst“, sagte Gohl, „es verändert alles zum Guten, es schafft Leben, es heilt und schenkt Gemeinschaft“. Es halte an einem „letzten Sinn des Lebens in dieser Welt fest“.

In den Augen des göttlichen Kindes in der Krippe spiegle sich die ganze Hoffnung der Welt, schrieb Heike Springhart, Bischöfin der Evangelischen Landeskirche in Baden, in ihrer Weihnachtsbotschaft. Die Geburt Christi verändere alles, Jesus Christus, der Heiland der Welt, setze allen menschlichen Heilsversprechen eine Grenze. „Dass Gott Mensch geworden ist, bedeutet für uns vor allem, dass wir endliche Menschen sein können und dass endlich Menschlichkeit möglich wird.“

Auch in diesem Jahr werde Weihnachten an so vielen Orten im Unfrieden gefeiert: „Die Welt ächzt und sehnt sich nach Frieden. Die Kinder in Bethlehem und Jerusalem, in Beirut und im Gaza-Streifen, in Syrien, in der Ukraine und im Sudan sind die Leidtragenden in den gewalttätigen Auseinandersetzungen.“ Auch manche Kinder hierzulande erlebten hinter verschlossenen Türen Gewalt anstatt Geborgenheit und Verzweiflung anstatt Zuversicht.

Trotz aller Konflikte und Nöte gibt die Weihnachtsbotschaft den Menschen nach Überzeugung der Ulmer Prälatin Gabriele Wulz Zuversicht und eine hoffnungsvolle Perspektive. Das „Licht von Weihnachten“ verhelfe dazu, diese Welt auszuhalten, sagte die evangelische Regionalbischöfin bei der Christvesper im Ulmer Münster. Gott komme, um Gerechtigkeit und Frieden zu schaffen, „um die Stiefel, die mit Gedröhn daher marschieren, zu stoppen“ und „um die Kriegsmaschinerien zu unterbrechen“. Dadurch setze Gott einen neuen Anfang in der finsteren Welt und lasse sich in die „Menschheitsgeschichte hineinverwickeln“.

Auch der Freiburger Erzbischof Stephan Burger hat in seiner Predigt am ersten Weihnachtsfeiertag im Freiburger Münster an die schwierige Lage vieler Menschen in Kriegs- und Krisengebieten wie Gaza, Israel, dem Libanon, der Ukraine und Syrien erinnert. Angesichts der Herausforderungen innerhalb der eigenen Gesellschaft und der aktuellen Krisen sei die Weihnachtsbotschaft besonders bedeutungsvoll, sagte Burger. Er rief dazu auf, ihr Licht in die Welt zu tragen. Aber auch die Kirche selbst brauche ständig Erneuerung: „Denn dieses Haus aus lebendigen Steinen zeigt sich ebenso in einem Zustand, in dem immer wieder ruinöse Bestände zutage treten.“ Er ging in seiner Predigt auf das Symbol der Ruinen ein. Diese stünden sowohl für Zerstörung als auch für Neubeginn. (2878/25.12.2024)