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Gemeinsam. Versöhnt. Ökumenisch.

Nicht nur eine historische Feier betreffend das Selbstverständnis des Protestantismus. Dies zeigte als erster Schritt die gemeinsame Pilgerreise. Der zweite ist ein ökumenischer Buß- und Versöhnungsgottesdienst, der dritte ein ökumenisches Fest

„Früher haben wir noch auf getrennten Schulhöfen gespielt, und wenn wir dann nach Hause gingen, gab es manchmal richtige Kämpfe mit den katholischen Jungs“, erzählt Michael (63). Und Angelika berichtet von der Reaktion ihres Vaters auf die Nachricht, dass sie den gerade zu Hause vorgestellten jungen Mann aus Bayern heiraten möchte: „Der ist doch katholisch. Wie soll das  nur gehen?“
Wir bereiten in einer kleinen Gruppe einen Gottesdienst zum Thema Ökumene vor, und alle Anwesenden wissen von Verwerfungen zwischen evangelischen und katholischen Christen zu berichten. Besonders die beiden mit einem katholischen Ehepartner haben einiges zum Thema beizutragen. Unbedachte Äußerungen von Familienmitgliedern, aber auch unsensibles Verhalten von Geistlichen (beider Konfessionen) in seelsorglichen Situationen haben mitunter tiefe Wunden hinterlassen.
Unvergessen ist auch die Schrift „Dominus Iesus“, in der aus Sicht dieser Gottesdienstvorbereitungsgruppe „ihrer“ evangelischen Kirche der Status als Kirche aberkannt wird. Und bei allem, was heute an ökumenischem Miteinander möglich und positiv zu würdigen ist, stößt man sich doch an der Frage, warum wir nicht gemeinsam Abendmahl feiern.
Evangelisch – katholisch – das bietet viel Gesprächsstoff. Besonders jetzt im Jubiläumsjahr 2017. Das 500. Reformationsjubiläum findet zum ersten Mal im Zeitalter der Ökumene statt. Auch in der katholischen Kirche ist man sich der Bedeutung dieses Ereignisses bewusst. So schreibt der Ökumenereferent des Erzbistums Berlin, Hans-Joachim Ditz:
Evangelische und katholische Kirche in Deutschland sind sich einig, dass das Reformationsjubiläum nicht nur eine historische Feier ist, die das Selbstverständnis der Protestanten betrifft. Vielmehr geht es um die gewaltigen Veränderungsprozesse der damaligen Zeit, die sich auch in Kirche und Gesellschaft niederschlugen. Die Lossagung vom Papsttum und die damit einhergehende Entstehung eigenständiger lutherischer und reformierter Kirchen war nur ein Teil der Reformation, ein neues und tieferes Verständnis der Bibel und ihrer Botschaft von Gerechtigkeit, Gnade und Rechtfertigung ein anderer.
Schon in einem frühen Stadium der Planungen zum Reformationsjubiläum gab es daher eine Einladung des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, an den Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Kardinal Reinhard Marx, das Reformationsjubiläum gemeinsam zu begehen.
Dies geschieht nun in drei Schritten. Der erste Schritt war die gemeinsame Pilgerreise von Mitgliedern der DBK und des Rates der EKD nach Israel und Palästina. Dort, auf den Spuren Jesu, haben sie sich dem „Solus Christus“ genähert, das Martin Luther so wichtig war.
Und nebenbei haben die katholischen Bischöfe es mit ordinierten und nicht-ordinierten Frauen und Männern zu tun gehabt, die wie sie Kirche repräsentieren und leiten. Sie haben zusammen gefrühstückt, zu Mittag und zu Abend gegessen, und sie haben leibhaftig den Schmerz vieler konfessions-verschiedener Paare über die nicht vorhandene Gemeinschaft am Abendmahlstisch erlebt. Einhelliges Fazit war: Das hat was bewegt in den Herzen und  Köpfen.
Der zweite Schritt wird ein zentraler ökumenischer Buß- und Versöhnungsgottesdienst in der Michaeliskirche in Hildesheim am 11. März  sein. Der Gottesdienst führt den Prozess der Heilung der Erinnerung fort, der in dem Gemeinsamen Wort „Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen“, dem der Rat der EKD und die DBK im Frühjahr 2016 zugestimmt haben, einen ersten Kristallisationspunkt hat.
In dem Gottesdienst sprechen beide Kirchen ihre Schuld vor Gott aus und bitten ihn um Vergebung, um frei zu werden für die gegenseitige Vergebung. Zeichen der Versöhnung ist der Dank an Gott für die Gaben, die in unseren Kirchen bewahrt sind und die wir aneinander schätzen. Aus der Versöhnung erwachsen Verpflichtungen für das zukünftige Miteinander, die beide Seiten vor Gott eingehen.
Es wäre schön, wenn im Laufe des Jahres 2017 viele solcher Versöhnungsgottesdienste auf regionaler und lokaler Ebene gefeiert werden. Auch die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) ruft zu Versöhnungsgottesdiensten auf und hat eigenes Gottesdienstmaterial dazu veröffentlicht.
Der dritte Schritt ist ein ökumenisches Fest unter dem Motto „Wie im Himmel so auf Erden“ am 16. September in Bochum, das eine zukunftsweisende christliche Zeitansage im Stil eines Kirchentags werden soll.
Das Jahr 2017 verspricht also in ökumenischer Hinsicht spannend zu werden. Es hat sich schon viel getan seit Martin Luther, und wir sind weiter auf dem Weg!

Liturgieentwurf in: Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen, gemeinsame Texte 24, erhältlich über EKD oder DBK / ACK: Versöhnt miteinander – Wort der ACK zu 500 Jahren Reformation.